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Deutschland e.V., Memorial

Die Protagonisten der 29 letzten Worte in „Alles kann sich ändern“ sind höchst unterschiedlich: der jüngste (Nikita Uwarow) wurde im Alter von 14 Jahren verhaftet, der älteste (Oleg Orlow) mit 70 Jahren. Die Strafen reichten von 500.000 Rubel (Swetlana Prokopjewa) bis 25 Jahre Lager unter strengen Haftbedingungen (Wladimir Kara-Mursa); Viktoria Petrowa wurde sogar per Gerichtsbeschluss in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. In zwei Fällen wurden Geschwister gemeinsam verurteilt: so Ismail Isajew und Salech Magamadow aus Tschetschenien und die drei Söhne eines Priesters aus Lipezk Joann, Alexej und Timofej Aschtscheulow. Mehrere Angeklagte gaben an, dass sie während der Verhöre gefoltert worden seien.
Einige der Angeklagten sind Studenten: Maxim Smyschljajew aus Rostow am Don, Ilja Schakurski aus Pensa sowie Jegor Schukow und Wladimir Metjolkin aus Moskau. Der Mathematiker Asat Miftachow war gerade dabei, zu promovieren. Ihnen wurde beispielsweise die Beteiligung an Demonstrationen oder ihre Kommunikation in sozialen Medien vorgeworfen.
Sechs letzte Worte kommen von oppositionellen Politikern: Julia Galjamina, die gegen die Verfassungsänderung 2020 protestierte, und Ilja Jaschin, der die russischen Gräueltaten im ukrainischen Butscha anklagte, waren beide Abgeordnete in Moskauer Stadtbezirken.
Dem Kreml besonders verhasst waren bzw. sind die beiden Politiker Alexej Nawalny (†) und Wladimir Kara-Mursa – der eine wegen seiner Antikorruptionsarbeit, der andere, weil er sich erfolgreich für ausländische Sanktionen gegen Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen in Russland eingesetzt hatte. Beide sind Opfer von Giftanschlägen der russländischen Geheimpolizei geworden. Wegen ihrer Zusammenarbeit mit Nawalny sind die Politikerin Lilia Tschanyschewa aus Ufa und der IT-Spezialist Daniel Cholodny aus Moskau angeklagt und verurteilt worden. Der Politiker Andrej Piwowarow aus Sankt Petersburg hatte für die von Michail Chodorkowski gegründete Stiftung Offenes Russland gearbeitet.
Während Maria Aljochina von der Punk-Band Pussy Riot Anfang 2021 zu einer Demonstration für Nawalny aufgerufen hatte, wurde die Künstlerin Alexandra Skotschilenko wegen Antikriegsaufschriften in einem Supermarkt verurteilt. Der Dichter Artjom Kamardin aus Moskau wurde wegen eines Gedichts, das die Staatsmacht als Widerspruch gegen Repression und Aggression auffasste, verurteilt.
Der Historiker Jurij Dmitrijew aus Karelien wurde wegen seiner Arbeit für Memorial unter ehrabschneidenden Vorwänden angeklagt; die Historikerin Sautijewa aus Inguschetien wegen einer Demonstration gegen die Verschiebung der Grenze zu Tschetschenien. Wurde Wjatscheslaw Jegorow noch wegen seines Bürgerengagements gegen Umweltverschmutzung inhaftiert, so wurden der Physiker Andrej Birjukow aus Woronesch und der Journalist Roman Iwanow aus dem Moskauer Gebiet – wie ab 2022 viele Angeklagte – wegen ihrer Proteste gegen den russischen Aggressionskrieg in der Ukraine verurteilt.
Am 1. August 2024 kamen Piwowarow, Jaschin, Kara-Mursa, Tschanyschewa, Skotschilenko und Orlow im Zuge eines internationalen Gefangenenaustauschs frei.
»Alles kann sich ändern«</a>

»Alles kann sich ändern«

»Wir werden alle darauf trainiert, Angst zu haben«, sagte Maria Aljochina von der Punkband Pussy Riot in ihrem letzten Wort vor Gericht 2021 in Moskau. »Aber ein Käfig aus Angst ist schlimmer als ein Käfig aus Glas und Eisen. Man muss die Einstellung ›Ich kann ja doch nichts bewirken‹ ablegen und Verantwortung übernehmen.