Heidelberger Silvestergespräche

Wissenschaften und Künste sind von jeher aufgerufen, die Schönheiten und Komplexitäten unserer Welt, aber auch all ihre Unvollkommenheiten und Konflikte zu erfassen und uns damit zu konfrontieren, wie die Lage ist. Daraus erwächst die Chance, Ziele zu entwerfen, wie die Welt sein soll, das heißt, besser werden kann.

Diesen Gedanken griff ein interdisziplinärer Kreis prominenter Wissenschaftler im Rahmen der traditionellen Heidelberger Silvestergespräche (2022) auf, die in der altehrwürdigen Karl Jaspers-Bibliothek im Universitäts-Klinikum Heidelberg stattfanden. Die Teilnehmer waren sich darüber im Klaren, dass sie sich mit dem Thema „Friedenssehnsucht – Wissenschaften und Künste zwischen Krieg und Frieden“ in der gegenwärtigen geopolitischen Lage ein schwieriges und belastendes Thema vorgenommen hatten. Letztlich ging es um nichts Geringeres, als den Versuch, einen Beitrag zu leisten, Welt und Mensch aus einem unvollkommenen, bedrohlichen Zustand heraus den hohen Werten der Freiheit, Sicherheit und Wahrheit ein Stück näher zu bringen.

Zäsuren bedeuten Abschluss und kündigen Neues an, weisen auf Wendezeiten, die aus drohenden Katastrophen, gerade noch rechtzeitig herausführen. Wendezeiten, wenn sie aus schroffen Zäsuren, aus Grenzsituationen hervorgehen, implizieren in der persönlichen und gesellschaftlichen Realität hohe Risiken. Hier bedarf es der gestaltenden wissenschaftlichen Reflexion, des besinnlichen Denkens, der Philosophie und der Künste, um eine lebensdienliche Auffanglinie zu schaffen. Das kompositorische Werk von Violeta Dinescu mit dem Titel ‚Gehäuse – Grenzsituationen‘, dessen Autograph sich hier findet, nimmt Texte von Karl Jaspers auf, die uns auf Grundlegendes, auf die Antinomien der Existenz verweisen. In der kompositorischen Idee von Violeta Dinescu werden diese existentiellen Gegebenheiten erfasst und gleichzeitig damit in einem größeren kommunikativen Kontext aufgehoben und geborgen. Sie werden auf diese Weise zugänglich für die interdisziplinäre Verständigung und regen eine Strukturentwicklung der Konzepte an, wie sie in den ‚Heidelberger Silvestergesprächen‘ perspektivenreich zum Ausdruck kommen durfte.