Cover: Pest
Stefan Pollatschek
Pest
- Die Tragödie eines Wiener Arztes
ISBN: 978-3-901-60288-7
230 Seiten | € 21.00
Buch [BA]
Erscheinungsdatum:
04.11.2020
Sonstiges
Stefan Pollatschek

Pest

Die Tragödie eines Wiener Arztes


Stefan Pollatschek wusste natürlich genau, welche Pest er meinte, nämlich den Antisemitismus. Dieser war im Ausgang des 19. Jahrhunderts zwar überall gegenwärtig, damit er aber zu seiner späteren wahnhaften Bösartigkeit gedieh, bedurfte es noch einige Jahrzehnte geduldiger Hetze. Liest man Pollatscheks Roman über das Vorspiel des später dann Eingetretenen, fühlt man sich vielfach nicht in die Jahrhundertwende, sondern in die Gegenwart versetzt.
Stefan Pollatschek hat seinen Roman „Pest“ 1938 beendet. Doch konnte sein Wiener Verlag das Buch nicht mehr herausbringen. Dafür erschien 1939 in Warschau die polnische Übersetzung „Dżuma“. Zehn Jahre später erschien der Roman unter dem Titel „Dozent Müller“ dann doch in Österreich und zwar zuerst in Buchform 1948 und dann als Fortsetzungsroman in der Arbeiter-Zeitung. Dort wurde er am 4. Juni 1949 folgendermaßen angekündigt:
Unser neuer Roman spielt im Wien der neunziger Jahre. Er schildert eine Episode aus Wiens Geschichte, die viele unserer Leser aus einem im vorigen Jahr in der Arbeiter-Zeitung erschienenen Artikel in Erinnerung haben dürften: den Ausbruch von Pestfällen in Wien im Jahr 1898.
Dozent Müller. Die Tragödie eines Wiener Arztes erzählt eine Geschichte von menschlichem Heldentum – und menschlicher Bosheit. Der Selbstaufopferung einer Handvoll Menschen, Ärzten und Pflegerinnen ist es zu danken, daß die Pest nicht zur Seuche wurde, die tausende vernichtete. Dozent Müller gab sein eigenes Leben, um das ungezählter anderer zu retten. Es waren die Schüler des großen „guten“ Arztes Professor Nothnagel, die so handelten.
Während sie die wirkliche Pest bekämpften, richtete eine andere, eine geistige Pest Unheil an: christlichsoziale Spießer und deutschnationale Hetzer verbreiteten den Pestbazillus Antisemitismus; sie machten auch vor Nothnagel nicht halt, weil er ein Mann freiheitlichen Geistes war. Unsere Leser werden es dem vor kurzem verstorbenen Wiener Schriftsteller Stephan Pollatschek danken, daß er in diesem Buch dem Dozenten Müller und seiner Zeit ein würdiges Denkmal gesetzt hat.
Der schriftliche Nachlass Stefan Pollatscheks galt lange als verschollen. Dank seiner Tochter, der Schriftstellerin Gerda Hoffer, befindet er sich inzwischen jedoch im Archiv der TKG. Unter den Dokumenten befindet sich auch das original Typoskript von „Pest“ aus dem Jahr 1938. Dieses weicht an vielen Stellen vom Buch „Dozent Müller“ ab, da die, wie es im Nachwort 1948 hieß,
fast durchgängige Dialogform des Buches durch Zusammenzueoihungen und durch Umwandlungen der Dialoge zu indirekter Rede und Erzählung da und dort einmal zu unterbrechen, einige Längen und unwesentliche, die Romanhandlung hemmende Nebenszenen und Milieuschilderungen wegzulassen oder zu kürzen.
Wir wollen mit der Publikation nicht nur eine den Intensionen des Autors gerechtere Version herausgebenen, sondern auch, ganz im Sinne Stefan Pollatscheks, an den Arzt Dr. Hermann Franz Müller erinnern.

Unterstütze den lokalen Buchhandel

Nutze die PLZ-Suche um einen Buchhändler in Deiner Nähe zu finden.

Postleitzahl
Veröffentlichung: 04.11.2020
Höhe/Breite/Gewicht H 21 cm / B 14,8 cm / -
Seiten 230
Art des Mediums Buch [BA]
Preis DE EUR 21.00
Preis AT EUR 21.00
Auflage 1. Auflage
Reihe Antifaschistische Literatur und Exilliteratur 34
ISBN-13 978-3-901-60288-7
ISBN-10 3901602887
EAN/ISBN

Über den Autor

Stefan Pollatschek, (17.6.1890 Wien – 17.11.1942 London, GB)
Stefan war der Sohn von Moritz Pollatschek, Journalist (Neue Freie Presse) und Julia Levit. Er hatte zwei Schwestern, Fanny, geb. 1885, Helene, geb. 1893 und einen Bruder, Erwin, geb. 1888. Die Familie lebte im 9. Wiener Gemeindebezirk, Müllnergasse 13.
Stefan Pollatschek besuchte die Volksschule in Wien-Mariahilf und das Schottengymnasium. Von 1914 bis 1918 war er Offizier der Reserve in der österreichisch-ungarischen Armee. 1915 heiratete er Ilka Lion, die als höhere Tochter keinen Beruf gelernt hatte, aber um trotzdem etwas zum Familienbudget beizutragen, den ersten Bridgeclub in Wien gründete. Die beiden bekamen eine Tochter, Gerda (Hoffer). Pollatschek war Journalist und Schriftsteller, zehn Jahre lang arbeitete er als Kaufmann. Er veröffentlichte politische Glossen und Essays in der Arbeiter-Zeitung, dem Neuen Tagebuch und der Glocke (Wien).
1930 erschien Pollatscheks Roman „Gericht“ in Fortsetzungen in der Arbeiterzeitung. Mit seinem Roman „Dr. Berghof ordiniert von 2-4“, der 1931 erschienen ist, zog er sich den Zorn bedeutender Wiener Ärzte zu. 1933 schloss er sich der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ an, in seiner Wiener Wohnung, 19. Bezirk, Strassergasse 13, fanden etliche (inoffizielle) Tagungen der Vereinigung statt. Zu seinem engsten Freundeskreis gehörten Viktor Matejaka, Ernst Waldinger und Elias Canetti, der wie Pollatschek in Grinzing (19. Bezirk) wohnte.
Ab März 1938 bemühte sich Stefan Pollatschek um ein Ausreisevisum, im Juni gelang es ihm, nach Prag zu flüchten. Im Jänner 1939 gelangte er mit Hilfe des Thomas-Mann-Committees nach England. Im selben Jahr erlitt Pollatschek, der schon länger Herzprobleme hatte, einen schweren Herzanfall. Nachdem er mit seiner Frau und seiner Tochter Gerda zunächst in London und dann in Manchester in Untermiete gelebt hatte, bezog die Familie schließlich ein Fischerhäuschen am Meer in Norfolk. Hier begann Stefan Pollatschek an seinem Buch „Dr. Ascher und seine Väter“ zu schreiben. Im Juni 1940 wurde er erst in der „Festung von Norwich“, dann auf der Isle of Man interniert. In der informellen „Volkshochschule“ des Internierungslagers hielt er Vorträge. Im Oktober 1940 wurde er aus der Internierung entlassen, seine Familie hatte die Küstenzone verlassen müssen und lebte mittlerweile in Baldock, Hertfordshire. Die Familie erhielt 30 Schilling pro Woche vom Czech Trust Fund.
Pollatschek musste zur Behandlung seiner Herzerkrankung nach London reisen. Hier starb Stefan Pollatschek 52jährig. Seine Tochter, Gerda Hoffer, schreibt, dass er zwei Stunden vor seinem Tod seinen eigenen Nachruf verfasste, der mit folgenden Worten begann: „Es ist eine Schande, vor Hitlers endgültiger Niederlage zu sterben, aber mir ist dieses Malheur nun leider passiert“.
Werke von Stefan Pollatschek wurden ins Englische, Polnische, Niederländische, Tschechische, Serbokroatische und Ungarische übersetzt.

Diesen Artikel teilen

0 Kommentar zu diesem Buch

.... weitere Publikationen von Theodor Kramer Gesellschaft

Eine andre Moderne?
Russlands Krieg gegen die Ukraine - Worum geht es?
Vom Nicht-Beigeben. Theodor Kramer 1897 - 1958