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Pollatschek, Stefan

Stefan Pollatschek, (17.6.1890 Wien – 17.11.1942 London, GB)
Stefan war der Sohn von Moritz Pollatschek, Journalist (Neue Freie Presse) und Julia Levit. Er hatte zwei Schwestern, Fanny, geb. 1885, Helene, geb. 1893 und einen Bruder, Erwin, geb. 1888. Die Familie lebte im 9. Wiener Gemeindebezirk, MĂĽllnergasse 13.
Stefan Pollatschek besuchte die Volksschule in Wien-Mariahilf und das Schottengymnasium. Von 1914 bis 1918 war er Offizier der Reserve in der österreichisch-ungarischen Armee. 1915 heiratete er Ilka Lion, die als höhere Tochter keinen Beruf gelernt hatte, aber um trotzdem etwas zum Familienbudget beizutragen, den ersten Bridgeclub in Wien gründete. Die beiden bekamen eine Tochter, Gerda (Hoffer). Pollatschek war Journalist und Schriftsteller, zehn Jahre lang arbeitete er als Kaufmann. Er veröffentlichte politische Glossen und Essays in der Arbeiter-Zeitung, dem Neuen Tagebuch und der Glocke (Wien).
1930 erschien Pollatscheks Roman „Gericht“ in Fortsetzungen in der Arbeiterzeitung. Mit seinem Roman „Dr. Berghof ordiniert von 2-4“, der 1931 erschienen ist, zog er sich den Zorn bedeutender Wiener Ärzte zu. 1933 schloss er sich der „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller“ an, in seiner Wiener Wohnung, 19. Bezirk, Strassergasse 13, fanden etliche (inoffizielle) Tagungen der Vereinigung statt. Zu seinem engsten Freundeskreis gehörten Viktor Matejaka, Ernst Waldinger und Elias Canetti, der wie Pollatschek in Grinzing (19. Bezirk) wohnte.
Ab März 1938 bemühte sich Stefan Pollatschek um ein Ausreisevisum, im Juni gelang es ihm, nach Prag zu flüchten. Im Jänner 1939 gelangte er mit Hilfe des Thomas-Mann-Committees nach England. Im selben Jahr erlitt Pollatschek, der schon länger Herzprobleme hatte, einen schweren Herzanfall. Nachdem er mit seiner Frau und seiner Tochter Gerda zunächst in London und dann in Manchester in Untermiete gelebt hatte, bezog die Familie schließlich ein Fischerhäuschen am Meer in Norfolk. Hier begann Stefan Pollatschek an seinem Buch „Dr. Ascher und seine Väter“ zu schreiben. Im Juni 1940 wurde er erst in der „Festung von Norwich“, dann auf der Isle of Man interniert. In der informellen „Volkshochschule“ des Internierungslagers hielt er Vorträge. Im Oktober 1940 wurde er aus der Internierung entlassen, seine Familie hatte die Küstenzone verlassen müssen und lebte mittlerweile in Baldock, Hertfordshire. Die Familie erhielt 30 Schilling pro Woche vom Czech Trust Fund.
Pollatschek musste zur Behandlung seiner Herzerkrankung nach London reisen. Hier starb Stefan Pollatschek 52jährig. Seine Tochter, Gerda Hoffer, schreibt, dass er zwei Stunden vor seinem Tod seinen eigenen Nachruf verfasste, der mit folgenden Worten begann: „Es ist eine Schande, vor Hitlers endgültiger Niederlage zu sterben, aber mir ist dieses Malheur nun leider passiert“.
Werke von Stefan Pollatschek wurden ins Englische, Polnische, Niederländische, Tschechische, Serbokroatische und Ungarische übersetzt.
Pest</a>

Pest

Stefan Pollatschek wusste natürlich genau, welche Pest er meinte, nämlich den Antisemitismus. Dieser war im Ausgang des 19. Jahrhunderts zwar überall gegenwärtig, damit er aber zu seiner späteren wahnhaften Bösartigkeit gedieh, bedurfte es noch einige Jahrzehnte geduldiger Hetze.

Doktor Ascher und seine Väter</a>

Doktor Ascher und seine Väter

Der erfolgreiche Wiener Literat Stefan Pollatschek schrieb diese beeindruckende Familiengeschichte Anfang der 40er Jahre im englischen Exil. Er spannt darin einen Bogen von der Judenverfolgung der spanischen Inquisition bis ins Wien des Jahres 1938. Der Roman aus dem Nachlass des Schriftstellers zeichnet die jüdische (Verfolgungs-)Geschichte mit beeindruckender Präzision nach.