Klusi

Es war einmal Aleppo

04.07.2024 - 15:42 Uhr
Cover: Es war einmal Aleppo

Als die siebzehnjährige Antonia mit ihrer Familie aus einem Dänemark-Urlaub zurückkommt, sind sie erst einmal entsetzt, denn schräg gegenüber von ihrem Wohnhaus wurde im ehemaligen Tennisclub ein Flüchtlingslager errichtet. Toni, wie sie von allen genannt wird, wurde vor einiger Zeit einmal Opfer eines Überfalls von südländisch aussehenden Männern und leidet seitdem unter immer wiederkehrenden Panikattacken. Und nun sollen viele dieser Flüchtlinge im nahen Umkreis ihres Elternhauses leben? In ihr macht sich Angst breit, und auch ihre Eltern sind besorgt. Ihr Bruder Alex ist den neuen Nachbarn gegenüber total feindselig eingestellt.

Als Toni sich kurz nach der Rückkehr aus den Ferien mit ihrer besten Freundin trifft, fordert Fee sie auf, doch einmal ins Lager gegenüber mitzukommen, denn sie hat dort ihre Unterstützung angeboten und erzählt, dass jede helfende Hand gebraucht wird. Nach anfänglichem Zögern springt Toni über ihren Schatten, überwindet ihre Ängste und geht zusammen mit Fee ins Lager. Was sie dort vorfindet, ist ganz anders als erwartet. Es sind nicht nur Männer im Flüchtlingscamp, wie immer wieder behauptet wird, sondern da leben ganze Familien mit Kindern, und es fehlt an vielen alltäglichen Sachen wie Hygieneprodukten, Nahrungsmitteln, Kleidung und auch Spielsachen. Dort im Lager lernt Toni Shirvan aus Syrien kennen. Sie freunden sich an und führen intensive Gespräche. Von Shirvan erfährt sie viel über die Hintergründe, die Erlebnisse während der Flucht und auch darüber, wie es in den Ländern aussieht, aus denen die Flüchtenden kommen. Es sind Menschen wie du und ich, und je mehr Toni über die Situation erfährt, umso größer wird ihr Bedürfnis, zu helfen. Das muss sie heimlich tun, denn ihre Eltern und auch ihr Bruder sind strikt dagegen. Wird es Toni gelingen, ihre Familie vom Gegenteil zu überzeugen?

Es ist ein sehr aufschlussreicher Roman, der zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Hier wird einem die Flüchtlingssituation auf sehr empathische Weise nahegebracht. Es geht um Menschen, die in ihrer Heimat alles zurücklassen mussten und nur ihr nacktes Leben retten konnten. Hoffnungsvoll unterwegs zu einer sicheren Zukunft erleben sie auf ihrer langen, beschwerlichen und gefährlichen Reise Ablehnung, Betrug und Schikane.

In den Medien werden regelmäßig Zahlen bekannt gegeben, und es ist sehr nüchtern von Asylsuchenden, Flüchtlingen und auch von Abschiebung die Rede. Was und wie man darüber erfährt, ist nicht dazu angetan, die allgemeine Skepsis zu zerstreuen, denn die Nachrichten sind oberflächlich gehalten und unpersönlich. So formiert sich der Fremdenhass immer weiter. Hier muss auf Dauer eine humane Lösung gefunden werden, die nicht nur die Masse, sondern die Menschen und Schicksale dahinter sieht. Da ist in erster Linie die Politik gefordert. Alte, eingefahrene Denkmuster und Gesetzgebungen müssen überdacht und überarbeitet werden. Die Geschichte von Toni und Shirvan ist keine seichte, romantische Liebesgeschichte, sondern viel, viel mehr. Sie zeigt, was gemeinsam, mit Herz und gutem Willen erreicht werden kann. Um etwas zu bewirken, müsste nur jeder einzelne von uns ein klein wenig aus seiner Komfortzone heraustreten. Dazu fällt mir auch hier wieder das afrikanische Sprichwort ein: ”Viele kleine Leute, die an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern.“

Das Buch ist bereits 2017 erschienen, aber ich finde, es ist nach wie vor wichtig und auch aktuell, denn was in der Stadt passiert, in der Antonia wohnt, könnte sich auch heute noch überall in Deutschland ereignen. Der Roman läuft unter der Kategorie Jugendbuch, ist aber so viel mehr. Dieses Buch sollte als Schullektüre eingesetzt werden, damit seine Botschaft noch viel mehr Menschen erreicht.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5
Spannung: 5/5

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Klappentext

Es war einmal Aleppo

von Jennifer Benkau
Cover: Es war einmal Aleppo Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Antonia kommt mit ihrer Familie aus dem Urlaub, und plötzlich leben mehrere hundert Flüchtlinge nebenan.
Klar – irgendwo müssen sie unterkommen. Aber ausgerechnet hier?
Doch dann trifft Toni auf Shirvan. Und mit jeder skeptischen Frage, die sie ihm stellt, wird die Sache verzwickter.

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