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Facetten 2021

Chronologie aller Bände (1 - 4)

Die Reihenfolge beginnt mit dem Buch "Facetten 2022". Wer alle Bücher der Reihe nach lesen möchte, sollte mit diesem Band von Erich Klein beginnen. Der zweite Teil der Reihe "Facetten 2021" ist am 10.12.2021 erschienen. Mit insgesamt 4 Bänden wurde die Reihe über einen Zeitraum von ungefähr 3 Jahren fortgesetzt. Der neueste Band trägt den Titel "Facetten 2023".

  • Anzahl der Bewertungen für die gesamte Reihe: 1
  • Ø Bewertung der Reihe: 5
  • Start der Reihe: 07.12.2020
  • Neueste Folge: 15.11.2023

Diese Reihenfolge enthält 2 unterschiedliche Autoren.

Cover: Facetten 2022
  • Autor: Klein, Erich
  • Anzahl Bewertungen: 0
  • Ø Bewertung:
  • Medium: Buch
  • Veröffentlicht: 21.12.2022
  • Genre: Autobiographie

Facetten 2022

Wer von der blauen Blume träumt, heißt es, muss verschlafen haben. Allen diesbezüglichen Verdikten und kategorischen Bestimmungen in Sachen Literatur steht die nicht triviale Tatsache entgegen, dass ständig weitergeschrieben wird. Gedichte, Erzählungen, so vielfältig in Form und Inhalt wie eh und je, auch wenn alles Schreiben seit geraumer Zeit um den prekären eigenen Status Bescheid weiß. Das trifft auch auf die dreizehn Autorinnen und dreizehn Autoren der FACETTEN 2022 zu. „Corona“, „Fake News“, „Binäre Codes“, „WhatsApp“ werden am Beginn von Richard Walls großem, aus zwölf Gedichten bestehendem Zyklus „Im Schatten der Jahre“ angesprochen, um dann zu den scheinbar unwichtigen, eigentlichen Fragen zu kommen: „Wer raucht noch Zigaretten in der hohlen Hand? / Wer trägt noch Sockenhalter, Gamaschen, und bewegt / Sein Steyr-Waffenrad nicht nur sonntags übers Land?“ Auch Ulrike Titelbach bestätigt in hochpoetischen poetologischen Fragmenten die angebrachte Skepsis: „Poesie vermag kein verwelktes Blatt zur Fotosynthese zu bewegen.“ Der einzige Trost, den sie – sollte das je die Aufgabe von Literatur gewesen sein – zu bieten hat: „Mit Poesie lässt sich kein Galgen errichten.“ Eine bemerkenswerte Warnung an Konsumentinnen und Konsumenten von Literatur findet sich bei Otto Johannes Adler: „LESEN MACHT DICK!“ Doch der Autor schafft auf subtile Weise Abhilfe, indem er seine mit einem monströsen Satzgebilde anhebende Erzählung in dreißig Schritten abspeckt, um sie auf deren Titel engzuführen: „2 Wörter, 18 Zeichen. Zunehmend weniger“. Dominka Meindl, die längst den Titel einer amtlichen Stadtschreiberin des Weltalls in Linz verdient hätte, macht mit einer Tirade über den „Schlaf des Neobiedermeier“ unmissverständlich klar, worum es ihr (nicht nur) in der Literatur geht: „Ich taumelte gegen eine Tür, darin lagen die Leichen meiner politischen Gegner, sehr, sehr peinlich, ich möchte nicht darüber reden, der malträtierte Leib Putins ganz oben, darunter wahrscheinlich rechtsextreme Innenminister und dergleichen, Lukaschenkos, US-Präsidenten, Gotteskrieger, jugendlich-konservative Erlöserfiguren, ich wollte es sogleich wieder verdrängen, wen ich da schon in Gedanken entleibt hatte.“
Wurde Philosophie einst als Fassen der Zeit in Begriffe definiert, eine mögliche Aufgabe von Literatur ist es, sie als Erzählung zu begreifen. Das schließt auch die Vergangenheit mit ein, die 2022 auf gespenstische Weise (obschon nicht zum ersten Mal) als Krieg nach Europa zurückkehrte. Im umfangreichen, penibel recherchierten Beitrag der Historikerin und Anthropologin Ortrun Veichtlbauer kehrt der aus dem Innviertel stammende Bauer Anton aus dem 1. Weltkrieg vom Balkan und aus Russland in die Heimat zurück. Das Chaos das sich dem Heimkehrer 1918 in Linz bietet, erinnert in mancher Hinsicht an Fernsehbilder aus der Gegenwart, auch wenn diese sich heute einige hundert Kilometer weiter östlich abspielen: „Alle Straßen, Wege und Straßenbahnwagen in Richtung Bahnhof waren mit Soldaten überfüllt, die ab den frühesten Morgenstunden mit vollgepfropften Rucksäcken und Koffern zu den Zügen eilten, den Platz vor dem Aufnahmegebäude belagerten, die Korridore, Warteräume und die Bahnhofsrestauration. (…) An manchen Nachmittagen reisten bis zu 40.000 Soldaten durch Linz, die Züge von den Räderachsen bis auf die Waggondächer besetzt. Manche Transporte führten ganze Viehherden, manche Haubitzen und Maschinengewehre mit. Vielfach schossen die Durchfahrenden, denen die Waffen nicht abgenommen werden konnten, bei Ankunft und Abfahrt mit scharfer Munition in die Luft. Abenteuerliche Szenen unter dem Pfeifen der Züge.“ Der Bogen der historischen Biografie des Bauernburschen aus St. Pantaleon, der wegen Hörens von Feindsendern vernadert wird und im Gefangenhaus Linz landet, führt bis ins Jahr 1941. Historia magistra vitae, besagt ein alter Spruch: Geschichte ist Lehrmeisterin des Lebens. Veichtlbauer stellt ihrem erzählerischen Essay (dessen erster Teil in den Facetten 2021 nachzulesen ist) ein rabiateres, in allen Zeiten gültiges Motto voran: „Wer gegen den Wind brunzt, macht sich leicht nass.“
2022 war auch ein Jahr der Verluste. Fritz Lichtenauer erinnert an den am 2. März verstorbenen Künstler und Erfinder der „taktilen Poesie“ Josef Bauer, Christian Steinbacher verfasste für den am 23. März verstorbenen Konzeptkünstler und Maler Josef Ramaseder eine Gedenknote. Der Bildteil der FACETTEN 2022 zeigt Arbeiten aus dem Nachlass des viel zu früh verstorbenen Autors und Künstlers Walter Pilar (1948–2018).
(Erich Klein im Vorwort)
Cover: Facetten 2023
  • Autor: Steinbacher, Silvana
  • Anzahl Bewertungen: 0
  • Ø Bewertung:
  • Medium: Buch
  • Veröffentlicht: 15.11.2023
  • Genre: Comedy

Facetten 2023

Ich habe mir das Paradies immer als eine Art Bibliothek vorgestellt, schwärmte der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges. Heute können wir nur erahnen, wie eine Bibliothek der Zukunft aussehen wird, welche Umbrüche wir dahingehend erleben werden und inwiefern wir dann ein Buch, eine Anthologie in Händen halten werden. Noch aber ist es nicht so weit, und Sie halten die Facetten 2023 in Händen. Von einer sinnlichen Liebe zum haptischen Buch schreibt darin Werner Stangl anschaulich und überspitzt.
Die Vielfalt der Genres und Themen ist auch in dieser Ausgabe erstaunlich: Vom Krieg, von der Kindheit, von dem Schicksal realer oder fiktiver Familienangehöriger, von der Kraft starker Frauen, von Demenz und von Alkoholabhängigkeit etwa erzählen die Autor:innen. Und in einem kompakten Beitrag wird sogar einfach ein Gestell zum Protagonisten.
Ein bereicherndes Element ist dieses Mal auch ein Beitrag einer fremdsprachigen Autorin: Die mexikanische Autorin Claudia Inés Solis Haje, die bereits viele Jahre in Linz lebt, präsentiert einen Text in Originalsprache und in deutscher Übersetzung. Von einer einstmals weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannten Schriftstellerin berichtet der Literaturwissenschaftler Stefan Maurer in seinem Text über die 2010 verstorbene Brigitte Schwaiger und ihre literarischen Anfänge zu Beginn der 1970er Jahre in Linz. Die gebürtige Freistädterin startete im Linzer Kellertheater und publizierte als noch unbekannte Autorin unter einem Pseudonym in den Facetten, ehe sie mit ihrem Roman Wie kommt das Salz ins Meer einen Bestseller landete.
Die Facetten als Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz zählen zu den beständigsten Anthologien Oberösterreichs. Im Laufe dieser vielen Jahre sind einige der Beitragenden zu „Stammautor:innen“ geworden. Eine dieser Schriftstellerinnen war die Linzerin Eva Fischer, und es ist traurig, dass dieses Kontinuum mit dem vergangenen Jahr enden musste. Zwölf Mal konnten wir Eva Fischers originelle Texte in den Facetten lesen. Im April dieses Jahres ist sie gestorben. Mit noch nicht veröffentlichten Texten unter dem Titel „Bist du heute schon gehüpft?“ erinnern wir an sie.
Das Reizvolle an der Anthologie ist wie schon bisher die Unterschiedlichkeit der Zugänge, und so steht etwa unmittelbar neben einer herkömmlich erzählten Geschichte ein experimenteller Text, und neben einem Beitrag, der sich ins Schwärmerische auszuholen erlaubt, findet sich ein sprachlich reduzierter, doch genau das ist der Reiz, denn all das ist Literatur, sind Texte, die gegenwärtig in Oberösterreich entstehen, die hier Schreibende, möglicherweise stellvertretend für einige andere ihrer Kolleg:innen, derzeit beschäftigten.
Interessanterweise lässt sich die Frage, wie sich denn unsere unmittelbare Gegenwart, in der sich die Ereignisse in Österreich und auch in der Welt insgesamt geradezu überstürzen, in den Texten abbildet, insofern beantworten, dass diese aktuellen Lebensbedingungen, von Ausnahmen abgesehen, nicht in dem Maße von den Autor:innen aufgegriffen werden, wie man das vermuten könnte. Dies schmälert Texte aber keineswegs, muss doch die Abbildung der Realität nicht unbedingt die Aufgabe der Literatur sein. Insgesamt sind die narrativen Texte der vorliegenden Sammlung meist ernster, dringlicher Natur. Es überwiegen die Prosatexte in den Facetten 2023, auch Lyrik ist vertreten. Nicht nur, aber auch in Gedichten tauchen Bilder auf, die nachklingen. Es bleibt immer spannend für mich, welche der Texte „an/rühren“, diesen „Klang“ zwischen Wort und inneren Bildern entstehen lassen, schreibt mir die Lyrikerin Juta Tanzer. Ja und auch das sollen die Facetten bieten, und um an den Beginn dieses Vorworts zurückzukehren: Das Hineinfallenlassen in einen Text, der einen Klang auslöst, kann doch für einen Augenblick auch so etwas wie ein kleines Paradies bedeuten. Und noch bleiben wir haptisch, im Buch.

(Silvana Steinbacher im Vorwort)
Cover: Facetten 2020
  • Autor: Klein, Erich
  • Anzahl Bewertungen: 1
  • Ø Bewertung: 5.0
  • Medium: Buch
  • Veröffentlicht: 07.12.2020
  • Genre: Sonstiges

Facetten 2020

Dass Corona-Tagebücher zu einem bedeutenden Genre der Literatur würden, durfte schon im Moment ihres Entstehens bezweifelt werden. Der Klon aus Reaktionsgeschwindigkeit sozialer Medien und überstürzter Verbalisierung der persönlichen Isolation führte nur den prekären Zustand der literarischen Öffentlichkeit, der ohnedies kein neuer ist, drastisch vor Augen: Neo-Biedermeier, in dem Autorenlesungen bestenfalls durch Live-Stream ersetzt werden, und die Produktionen aus dem Elfenbeinturm ins heillose Hintertreffen geraten. Der Buchmarkt, den keiner mehr überschaut, läuft ungerührt weiter. Das „Literarische Jahrbuch der Stadt Linz“ begnügt sich stattdessen und ohne falsche Bescheidenheit mit jenem Koeffizienten, den einst Hans Magnus Enzensberger festlegte: in keinem Land und in keiner Sprache betrage die Anzahl der Leser von Dichtung seit jeher mehr als zweihundertfünfzig.

Vielleicht war es aber kein Zufall, dass dieses solitär-private Verständnis von Literatur seinen Ursprung in der existenziellen Reaktion auf eine Katastrophe hatte, die seinerzeit alle traditionellen Vorstellungen von Natur, Mensch und Welt erschütterte. Bekanntlich war es das Erdbeben von Lissabon im Jahre 1755, auf das Voltaire mit seinem „Candide oder der Optimismus“ in Form einer Satire auf die beste aller Welten reagierte, an deren Ende eine leidige Empfehlung stand: „Es geht darum, sich um den eigenen Garten zu kümmern!“ Die Moderne war erfunden! Ob es tatsächlich das Scheitern der klassischen Fragen nach dem Bösen und dem Unheil in der Welt war, was uns noch immer zu Lesern von Anthologien macht, sei dahingestellt, doch wie anders wäre das Vergnügen bei der Lektüre des „sanften Unmenschen“ Stifter, oder die Lust an tragischen Gegenständen angesichts der „fröhlichen Apokalypsen“ aller Modernen zu erklären? Heute ließe sich dementsprechend fragen: wer wäre jenseits aller Katastrophendiagnostik mehr berufen, die intime Chronik ihrer Zeit zu verfassen als Autorinnen und Autoren?

Corona fand in die FACETTEN 2020 nur in einigen Fällen und auf rudimentäre Weise Eingang. Schließlich handelt es sich bei der Pandemie nicht nur um einen Unfall, sondern vor allem um einen Zufall unserer Lebenswelt mit nicht vorgesehenen drastischen Folgen. Als Motto über den vierunddreißig Beiträgen der diesjährigen FACETTEN könnte denn auch eines der lakonischen Fragmente von Eva Fischer stehen: „Der Zufall hat immer einen Einfall.“ Dass die Zeit für substanzielle literarische Reflexion des viralen Ausnahmezustandes noch nicht reif ist, macht der Beitrag der Autorengruppe „Original Linzer Worte“ schon im Titel deutlich: „Als wir etwas für die Facetten schreiben wollten, aber dadurch leider Linz und das System zerstört haben.“ Soweit sollte es noch kommen! Wer sich den Umständen vorsichtiger nähert, gerät wie Karin Peschkas erzählerischer Essay ins Zögern: „Und eine Reise nach Linz. Von wo? Wohin?“ Es sind vor allem Fragen, die auch in der großen Prosa-Tirade des Lyrikers Christian Steinbacher überdeutlich werden, der allerdings – allen widrigen Zuständen zum Trotz – jenes ästhetische Grundprinzip auf den Punkt bringt, dem jeder literarische Text, der diesen Namen verdient, zu folgen hat: „Daumenlutschen ist sicher eine Schwachstelle, aber Bohren in der Nase nicht minder.“ Was sonst noch bleibt ist bis auf Weiteres „Werktag“, von dem es in Richard Walls Gedicht heißt: „Apfel rot / Und Morgen blau / Der Tag lüftet seinen Hut. // Pendler stehn im Stau / Gieße mir Tee und Milch / In die Tasse. // Und warte / Bis des Nachbars Hofhund bellt / Und mir das erste Wort einfällt.“

(Erich Klein im Vorwort)
Cover: Facetten 2021
  • Autor: Klein, Erich
  • Anzahl Bewertungen: 0
  • Ø Bewertung:
  • Medium: Buch
  • Veröffentlicht: 10.12.2021
  • Genre: Comedy

Facetten 2021

Literatur ist vor Überraschungen nicht gefeit. Jüngst noch wurde vielerorts von Corona-Tagebüchern und Corona-Romanen gesprochen, von kreativen Impulsen, die der Ausnahmezustand möglicherweise auslösen könne. Kunst macht das Leben schön, doch sie geht nicht in ihm auf und ohnedies kam alles ganz anders: Impfgegner wurden zur Partei, von den übrigen Kuriositäten, die gegen Ende dieses Jahres zu Tage traten, ganz zu schweigen. Auf vermaledeite Fragen dieser Art zu reagieren, hat Literatur nur eine Möglichkeit: Scherz, Satire und Ironie.
In einem kleinen Meisterwerk unter den achtunddreißig Beiträgen der FACETTEN 2021 begibt sich die Autorin Dominika Meindl in ihrem dreiundvierzigsten Lebensjahr, wie es feierlich augenzwinkernd heißt, nach Linz ans „Ufer unseres lieben österreichischen Mainstreams“ und erlebt Überraschendes: „Impfgegnerinnen in Bio-Linnnen, toxische junge Männer mit kahlrasierten Schädeln, grauhaarige Freikirchler, Bodybuilder mit „Fridays for Hubraum“-Shirts, irgendwo stand Gottfried Küssel, mein Gott, im Zweiten Weltkrieg gab es Extremismus von beiden Seiten, wer sind wir, über damalige Zeiten zu urteilen! Alle meine Mitmenschen trugen ihre Stammestracht mit Stolz, und ich fühlte mich wie Karl May, der hier nun zum Bruder Scharlih der Apachen werden durfte.“ Ob sich aus dieser Gegenwart tiefere Bedeutung für die Zukunft ableiten lässt, wird ohnehin den Lesern überlassen. „Auch ich bin schöpferisch – ich schöpfe Verdacht“, lautet eine alte Maxime. Sollte also diese Krise, wie es die schlüpfrige, viel zu oft missbrauchte Floskel nahelegt, nicht auch eine Chance darstellen? Warum nicht eine Partei der Leserinnen und Leser gründen?!
Diversität ist in den FACETTEN 2021 garantiert: die nur auf den ersten Blick harmlos wirkende Metaphorik der Gedichte von Renate Silberer stiftet bei genauem Lesen gehörige Verwirrung; der Dialekt im Lydia Haiders rabiatem Text lässt uns Hören und Sehen vergehen; das unablässige lyrische Sprechen eines Wilhelm Rager oder die Einebnung zwischen Kunst und Literatur, an die Christian Steinbacher in seinem „Dossier“ zum 2020 verstorbenen bildenden Künstler und Autor M.Rutt (Günther Haidinger) erinnert, stellen nur einige der vertretenen ästhetischen Positionen dar. Traditionelle Erzählungen stehen neben dem abenteuerlichen Versuch eines Hans Bednar, seine Reise in den Sudan Mitte der 1970er Jahre unter dem bezeichnenden Titel „Ich bin also im Gepäcksnetz gestorben“ in Griff zu bekommen. Der umfangreiche Text der Historikerin und Anthropologin Ortrun Veichtlbauer begibt sich auf die Suche nach einer neuen, hybriden Form des Schreibens zwischen Literatur und Geschichte. „ST. P. Eine Mikrogeschichte“ rollt in einer vielschichtigen und quellengesättigten Rekonstruktion des Lebens ihres Großvaters ein Stück „kalter“ Zeitgeschichte auf. „Mein Innviertler Opa Anton sprach zu uns Kindern kaum über den Großen Krieg seiner Jugend (…) von all dem sollte ich erst später hören, als ich erwachsen war.“ Der Erste Weltkrieg, die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, wird bis heute europaweit durch Kriegerdenkmäler memoriert, zugleich aber durch die Katastrophengeschichte des Zweiten Weltkriegs überdeckt. Bekanntlich reicht unsere persönliche Erinnerung kaum über zwei Genrationen hinaus. Veichtlbauer beschreibt die Härte des Alltags im Innviertel zu Jahrhundertbeginn, die Bedeutung von Burschenschaften und Katholizismus, schließlich den Weg über die Schlachtfelder Osteuropa und des Balkans bis zur Rückkehr in die Heimat. Am Ende steht eine Frage, die an den Anfang erinnert: „Und wie geht es weiter? In Österreich herrschte 1918 Hunger.“

(Erich Klein, Vorwort)

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