
Friedrich Herold
Den Mann erkennst du bei der Jagd
ISBN: 978-3-788-82016-9
304 Seiten | € 29.95
Buch [Gebundenes Buch]
Erscheinungsdatum:
20.12.2021
Historische Romane
Friedrich Herold
Den Mann erkennst du bei der Jagd
4.3/5.00 bei 7 Reviews - aus dem Web
Leseprobe:
Nach einem furchtbar verpatzten und deshalb vorzeitig abgebrochenen Ostsee-Urlaub saß ich im
Zug von Stralsund in Richtung ersehnter Heimat. Am Zeitungsstand in der Bahnhofshalle hatte
ich, quasi als ersten Trost, eine Jagdzeitschrift erstanden. Ein Ehepaar reiferen Jahrganges entschied
sich ebenfalls für dieses Abteil.
Ich half beim Verstauen von Koffern und Taschen. Dann, auf freier Strecke, zog die mir viele Jahre
später tief ins Jägerherz Einzug haltende Landschaft Mecklenburgs vorüber. Sommerruhe lag über
abgeernteten Feldern. So weit man blicken konnte, von der Sonne vergoldete Weizen- und Roggen-
stoppel, über deren Weiten die Luft flimmerte. Schließlich hielt ich die Fachzeitschrift vors Gesicht
und verriet dadurch dem Mann gegenüber meine Interessen. Als ich wieder einmal über den
Zeitungsrand blickte, sprach der mich an.
Ob ich aktiv mit der Jagd zu tun hätte, wollte er wissen. Damals, um die siebzehn Lenze jung, war
ich doch schon in eine Jagdgesellschaft integriert. Das schien den Frager zu freuen und wir kamen ins
Gespräch. Er betrieb im Gebirge eine große Bäckerei. Die Jahre, welche zwischen unserer damaligen
herzlichen Begegnung und meinem derzeitigen Erinnern über das Erzgebirge zogen, lassen mich
lediglich annehmen, dass diese sich in Annaberg befand. Der nette Herr war bereits seit Jahrzehnten
Jäger. Sein Familienname blieb mir wegen einer lustigen Konstellation fest im Gedächtnis. Der Mann
hieß nämlich Wild.
Als er mir dann noch offenbarte, dass sein Weidwerk auch Rotwild einschloss, war mein Interesse
an der Zeitschrift für lange verflogen. Dann gab er mir noch etwas mit auf den Weg.
„Soll die Jagd dich in Zukunft nicht zu sehr enttäuschen, musst du noch eines wissen, junger Freund.
Nirgendwo gibt es mehr Egoismus, ja, Niedertracht, Hinterlist und vor allem Neid, als unter Jägern.“
Diese Offenbarung hat mich damals sehr irritiert, in mir geradezu seelischen Widerstreit ausgelöst,
konnte den Mythos des edlen Jägerlebens mit Kameraden, die einer für alle und alle für einen einstehen,
damals aber noch nicht erschüttern. Denn in den schneereichen und frostharten Wintermonaten
beschickte ich zuverlässig täglich die mir anvertraute und zusätzlich die Fütterungen der Jagdschei-
ninhaber, welche sich, zum Ärger des Jagdleiters, nur hin und wieder samstags in den Tiefschnee
wagten. Zudem legte ich Lockfütterungen an. Wenn sich dann das damals bei uns noch rare Schwar-
zwild einstellte, brauchte sich mancher nur noch anzusetzen. Das Wild wurde „angebunden“, wie
der Jäger sagt.
Ort und Zeitpunkt des Erscheinens manch altheimlichen Rehbockes erkundete ich für jene, deren
Zeit hierzu viel zu bemessen war, wie sie mir sagten. Bau und Instandhaltung jagdlicher Einrich-
tungen waren mir Selbstverständlichkeit. Hundeführer konnten beruhigt verreisen. Ihre Vierbeiner
waren bei mir in guter Obhut. Sollte mir jemals einer dieser Männer mit Niedertracht oder Neid
begegnen? Unvorstellbar! Man konnte nicht wissen, ob sich jemand der Fremden, die sich zeitweise
mit im Zugabteil aufhielten, dafür interessierte, was sich da über Jagdverhältnisse erzählt wurde.
Denn zur Jagd gehört das Führen von Schusswaffen – in der DDR ein höchst sensibles Thema.
Nach einem furchtbar verpatzten und deshalb vorzeitig abgebrochenen Ostsee-Urlaub saß ich im
Zug von Stralsund in Richtung ersehnter Heimat. Am Zeitungsstand in der Bahnhofshalle hatte
ich, quasi als ersten Trost, eine Jagdzeitschrift erstanden. Ein Ehepaar reiferen Jahrganges entschied
sich ebenfalls für dieses Abteil.
Ich half beim Verstauen von Koffern und Taschen. Dann, auf freier Strecke, zog die mir viele Jahre
später tief ins Jägerherz Einzug haltende Landschaft Mecklenburgs vorüber. Sommerruhe lag über
abgeernteten Feldern. So weit man blicken konnte, von der Sonne vergoldete Weizen- und Roggen-
stoppel, über deren Weiten die Luft flimmerte. Schließlich hielt ich die Fachzeitschrift vors Gesicht
und verriet dadurch dem Mann gegenüber meine Interessen. Als ich wieder einmal über den
Zeitungsrand blickte, sprach der mich an.
Ob ich aktiv mit der Jagd zu tun hätte, wollte er wissen. Damals, um die siebzehn Lenze jung, war
ich doch schon in eine Jagdgesellschaft integriert. Das schien den Frager zu freuen und wir kamen ins
Gespräch. Er betrieb im Gebirge eine große Bäckerei. Die Jahre, welche zwischen unserer damaligen
herzlichen Begegnung und meinem derzeitigen Erinnern über das Erzgebirge zogen, lassen mich
lediglich annehmen, dass diese sich in Annaberg befand. Der nette Herr war bereits seit Jahrzehnten
Jäger. Sein Familienname blieb mir wegen einer lustigen Konstellation fest im Gedächtnis. Der Mann
hieß nämlich Wild.
Als er mir dann noch offenbarte, dass sein Weidwerk auch Rotwild einschloss, war mein Interesse
an der Zeitschrift für lange verflogen. Dann gab er mir noch etwas mit auf den Weg.
„Soll die Jagd dich in Zukunft nicht zu sehr enttäuschen, musst du noch eines wissen, junger Freund.
Nirgendwo gibt es mehr Egoismus, ja, Niedertracht, Hinterlist und vor allem Neid, als unter Jägern.“
Diese Offenbarung hat mich damals sehr irritiert, in mir geradezu seelischen Widerstreit ausgelöst,
konnte den Mythos des edlen Jägerlebens mit Kameraden, die einer für alle und alle für einen einstehen,
damals aber noch nicht erschüttern. Denn in den schneereichen und frostharten Wintermonaten
beschickte ich zuverlässig täglich die mir anvertraute und zusätzlich die Fütterungen der Jagdschei-
ninhaber, welche sich, zum Ärger des Jagdleiters, nur hin und wieder samstags in den Tiefschnee
wagten. Zudem legte ich Lockfütterungen an. Wenn sich dann das damals bei uns noch rare Schwar-
zwild einstellte, brauchte sich mancher nur noch anzusetzen. Das Wild wurde „angebunden“, wie
der Jäger sagt.
Ort und Zeitpunkt des Erscheinens manch altheimlichen Rehbockes erkundete ich für jene, deren
Zeit hierzu viel zu bemessen war, wie sie mir sagten. Bau und Instandhaltung jagdlicher Einrich-
tungen waren mir Selbstverständlichkeit. Hundeführer konnten beruhigt verreisen. Ihre Vierbeiner
waren bei mir in guter Obhut. Sollte mir jemals einer dieser Männer mit Niedertracht oder Neid
begegnen? Unvorstellbar! Man konnte nicht wissen, ob sich jemand der Fremden, die sich zeitweise
mit im Zugabteil aufhielten, dafür interessierte, was sich da über Jagdverhältnisse erzählt wurde.
Denn zur Jagd gehört das Führen von Schusswaffen – in der DDR ein höchst sensibles Thema.
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| Veröffentlichung: | 20.12.2021 |
| Höhe/Breite/Gewicht | H 24 cm / B 17 cm / - |
| Seiten | 304 |
| Art des Mediums | Buch [Gebundenes Buch] |
| Preis DE | EUR 29.95 |
| Preis AT | EUR 30.80 |
| Auflage | 127. Auflage |
| ISBN-13 | 978-3-788-82016-9 |
| ISBN-10 | 3788820160 |
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