
Dagmar Dusil
Auf leisen Sohlen
- Annäherungen an Katzendorf
ISBN: 978-3-863-56262-5
266 Seiten | € 18.50
Buch [BA]
Dieses Buch gehört zur Reihe Fragmentarium und enthält ca. 5 Folgen.
Erscheinungsdatum:
15.03.2019
Sonstiges
Dagmar Dusil
Auf leisen Sohlen
Annäherungen an Katzendorf
5.0/5.00 bei 3 Reviews - aus dem Web
Einläutung ins Dorfschreiberjahr
Von Oktober 2017 bis Oktober 2018 lebte ich zeitweise als fünfte Dorfschreiberin in Katzendorf in Siebenbürgen. Insgesamt verbrachte ich dort 182 Tage, 4.368 Stunden, 262.080 Minuten, 15.724.800 Sekunden, Sonnen- und Regentage, schwarze und Blutmondnächte, Haferlandzeit, Erleben „unplugged“.
Ich suchte die Begegnung mit Mensch, Tier, Landschaft, Pflanzen in der Realität und in der Vorstellungswelt. Die Begegnung suchte mich in Form von Fragen, Mutmaßungen, Neugierde und Hoffnung. Manchmal schlug mir auch Misstrauen, Skepsis und Unwille entgegen.
Die Eule versprach zu mahnen und zu wecken, der fette Siebenschläfer hatte es eilig bei seinem Lauf durch die Nacht, die Spinne sah mir beim Duschen zu, ungerührt und gelangweilt, die Mücken saßen auf der Lauer, sie wollten mein Blut, Leo, der Hund wurde zum zeitweiligen Beschützer, das minderjährige Kätzchen Lori wurde vom Kater des Nachbarn sexuell belästigt, gierige Wespen hatten es auf mein Frühstück abgesehen.
Jeder, dem ich begegnete, gab seine Sicht der Dinge preis. Eine Sommersächsin, die nicht mit der Mentalität der Roma klar kommt, die versunkene Welten auferstehen lässt, sommer-verbunden und winter-entfremdet mit Katzendorf, die Kuchen brachte und Dinge ändern möchte, die nicht zu ändern sind, die Menschen verändern möchte, die keine Veränderung wollen.
Vor meinem Dorfschreiberjahr war ich zweimal kurz in Katzendorf. Es waren flüchtige Besuche, die leise Zeichen hinterlassen haben. Eine breite Dorfstraße, eine mächtige Kirchenburg, Fremde, die es hierher verschlagen hat, eine zerfallene Welt, aus der Neues entsteht, ein Dichter, der Kulturfeste organisiert. In meinem Dorfschreiberjahr fand ich in Katzendorf und der näheren und weiteren Umgebung Überbleibsel aus der k. u. k. Monarchie, Spuren zweier Weltkriege, Überreste aus dem Kommunismus, Neureiche in protzigen Häusern. Durch die Medien erhielt ich Kenntnis von einer rumänischen Regierung, die wie nach einem Erdbeben wackelte. Eine solide ungarische Minderheit ließ die blau-weiße Fahne der Szekler durch Siebenbürgische Luft wehen. Um mich herum Schafe, Ziegen, Kühe, Pferde, Gräser, Kinder mit triefenden Nasen, Sommersachsen im Zuhause des Dorfes und „allround“ Rumänen, Ungarn und die dorf-präsenten Roma.
Besucher kamen und gingen. Lauschten und überzeugten sich von einem neuen Siebenbürgen. Kirchenburgen begeisterten, Ruinen polarisierten, der Entdeckergeist wurde geweckt. Das Siebenbürgen in der direkten Begegnung berührte.
Der Schlüssel zur Dorfbibliothek drehte sich eines Tages im Schloss und ich stand in dem seit vielen Jahren von niemandem mehr betretenen Raum, wo Bücher in drei Sprachen – deutsch, ungarisch und rumänisch – wie Dornröschen darauf warteten, zu neuem Leben erweckt zu werden. Ungern hatte der Bürgermeister den Schlüssel herausgerückt, nachdem ich zu einer kleinen List in Form einer Geschichte gegriffen hatte. Manchmal können Worte nicht nur Herzen sondern auch Türen öffnen.
Ein Jahr, in dem ein Pulk an Worten mich umkreiste und einschloss.
Worte, die wie Sand durch meine Hände fließen, blutrottriefend, silberfarbig schuppig glänzend, flüchtig schwarz oder wolkenweiß, neidisch gelb wie Dotterblumen, emsig wie Ameisen beim Melken der Blattläuse, hungriggrün wie der Froschkönig am Brunnenrand, nazibraun wie der zottige Hund, der an einem Augustmorgen in fahrigen Sonnenstrahlen furchterregend mitten im Garten stand.
Im Vorfeld wurden mir unzählige Fragen gestellt, von Siebenbürgern und Nichtsiebenbürgern.
Wieder zurück in Bamberg werde ich erneut mit Fragen konfrontiert.
Der Sprechgesang Katzendorfs klingt bei mir noch nach. Im Gesagten liegt viel Ungesagtes. Phantasie und Wirklichkeit sind austauschbar. Seelenwund verschwindet das siebenbürgische Dorf mit seinen Bewohnern in den Nebeln der Zeit.
Dank an alle Herzensmenschen, die mir begegnet sind und mich inspiriert haben.
Bamberg, im Januar 2019
Von Oktober 2017 bis Oktober 2018 lebte ich zeitweise als fünfte Dorfschreiberin in Katzendorf in Siebenbürgen. Insgesamt verbrachte ich dort 182 Tage, 4.368 Stunden, 262.080 Minuten, 15.724.800 Sekunden, Sonnen- und Regentage, schwarze und Blutmondnächte, Haferlandzeit, Erleben „unplugged“.
Ich suchte die Begegnung mit Mensch, Tier, Landschaft, Pflanzen in der Realität und in der Vorstellungswelt. Die Begegnung suchte mich in Form von Fragen, Mutmaßungen, Neugierde und Hoffnung. Manchmal schlug mir auch Misstrauen, Skepsis und Unwille entgegen.
Die Eule versprach zu mahnen und zu wecken, der fette Siebenschläfer hatte es eilig bei seinem Lauf durch die Nacht, die Spinne sah mir beim Duschen zu, ungerührt und gelangweilt, die Mücken saßen auf der Lauer, sie wollten mein Blut, Leo, der Hund wurde zum zeitweiligen Beschützer, das minderjährige Kätzchen Lori wurde vom Kater des Nachbarn sexuell belästigt, gierige Wespen hatten es auf mein Frühstück abgesehen.
Jeder, dem ich begegnete, gab seine Sicht der Dinge preis. Eine Sommersächsin, die nicht mit der Mentalität der Roma klar kommt, die versunkene Welten auferstehen lässt, sommer-verbunden und winter-entfremdet mit Katzendorf, die Kuchen brachte und Dinge ändern möchte, die nicht zu ändern sind, die Menschen verändern möchte, die keine Veränderung wollen.
Vor meinem Dorfschreiberjahr war ich zweimal kurz in Katzendorf. Es waren flüchtige Besuche, die leise Zeichen hinterlassen haben. Eine breite Dorfstraße, eine mächtige Kirchenburg, Fremde, die es hierher verschlagen hat, eine zerfallene Welt, aus der Neues entsteht, ein Dichter, der Kulturfeste organisiert. In meinem Dorfschreiberjahr fand ich in Katzendorf und der näheren und weiteren Umgebung Überbleibsel aus der k. u. k. Monarchie, Spuren zweier Weltkriege, Überreste aus dem Kommunismus, Neureiche in protzigen Häusern. Durch die Medien erhielt ich Kenntnis von einer rumänischen Regierung, die wie nach einem Erdbeben wackelte. Eine solide ungarische Minderheit ließ die blau-weiße Fahne der Szekler durch Siebenbürgische Luft wehen. Um mich herum Schafe, Ziegen, Kühe, Pferde, Gräser, Kinder mit triefenden Nasen, Sommersachsen im Zuhause des Dorfes und „allround“ Rumänen, Ungarn und die dorf-präsenten Roma.
Besucher kamen und gingen. Lauschten und überzeugten sich von einem neuen Siebenbürgen. Kirchenburgen begeisterten, Ruinen polarisierten, der Entdeckergeist wurde geweckt. Das Siebenbürgen in der direkten Begegnung berührte.
Der Schlüssel zur Dorfbibliothek drehte sich eines Tages im Schloss und ich stand in dem seit vielen Jahren von niemandem mehr betretenen Raum, wo Bücher in drei Sprachen – deutsch, ungarisch und rumänisch – wie Dornröschen darauf warteten, zu neuem Leben erweckt zu werden. Ungern hatte der Bürgermeister den Schlüssel herausgerückt, nachdem ich zu einer kleinen List in Form einer Geschichte gegriffen hatte. Manchmal können Worte nicht nur Herzen sondern auch Türen öffnen.
Ein Jahr, in dem ein Pulk an Worten mich umkreiste und einschloss.
Worte, die wie Sand durch meine Hände fließen, blutrottriefend, silberfarbig schuppig glänzend, flüchtig schwarz oder wolkenweiß, neidisch gelb wie Dotterblumen, emsig wie Ameisen beim Melken der Blattläuse, hungriggrün wie der Froschkönig am Brunnenrand, nazibraun wie der zottige Hund, der an einem Augustmorgen in fahrigen Sonnenstrahlen furchterregend mitten im Garten stand.
Im Vorfeld wurden mir unzählige Fragen gestellt, von Siebenbürgern und Nichtsiebenbürgern.
Wieder zurück in Bamberg werde ich erneut mit Fragen konfrontiert.
Der Sprechgesang Katzendorfs klingt bei mir noch nach. Im Gesagten liegt viel Ungesagtes. Phantasie und Wirklichkeit sind austauschbar. Seelenwund verschwindet das siebenbürgische Dorf mit seinen Bewohnern in den Nebeln der Zeit.
Dank an alle Herzensmenschen, die mir begegnet sind und mich inspiriert haben.
Bamberg, im Januar 2019
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| Veröffentlichung: | 15.03.2019 |
| Höhe/Breite/Gewicht | H 20 cm / B 14,5 cm / - |
| Seiten | 266 |
| Art des Mediums | Buch [BA] |
| Preis DE | EUR 18.50 |
| Preis AT | EUR 19.10 |
| Reihe | Fragmentarium 10 |
| ISBN-13 | 978-3-863-56262-5 |
| ISBN-10 | 3863562623 |
Über den Autor
Dagmar Dusil wurde in Hermannstadt (Siebenbürgen/Rumänien) geboren. Sie studierte Anglistik und Germanistik und arbeitete als Englischlehrerin. 1985 reiste sie in die Bundesrepublik Deutschland aus. Neben zahlreichen Prosa-Veröffentlichungen (Blick zurück durchs Küchenfenster, Kulinarisches Heim- und Fernweh, Hermannstädter Miniaturen, Wie die Jahre verletzen, Entblätterte Zeit) erschien 2015 auch ihr Lyrikband Transitschatten. Als Herausgeberin setzte sie ihrer alten Heimat in den Sammelbänden Hermannstadt. Fakten Bilder Worte und Mit Erinnerungen gepflastert. Die Straßen Hermannstadts ein viel beachtetes Denkmal.Einige ihrer Texte sind ins Rumänische und Englische übersetzt worden. Sie ist Mitglied in der GEDOK Franken, der internationalen Autorenvereinigung Die KOGGE und der Künstlergilde Esslingen. Unter anderem erhielt sie 2014 den Literaturförderpreis der GEDOK und 2017 den Dorfschreiberpreis Katzendorf.

















