Von Damaskus in die deutsche Ghurba
Migration und Integration, veranschaulicht am Beispiel meines Lebens
Tibis Weltreise erfolgte nach der Abreise von Damaskus 1962 in der islamischen Tradition des Strebens nach Wissen (Talab al-'Ilm) und umfasste bis 2010 fünf Kontinente, in denen er gelehrt und geforscht hat. Sein kulturell hybrides Leben ist in dieser Art einzigartig: Er durchlief gleich drei Sozialisationsmuster in unterschiedlichen Zivilisationen: der islamischen, der europäischen und der nordamerikanischen.
Tibis Autobiografie verweist im Titel auf seine wichtigste Reise, die nach Deutschland, die sein Leben grundsätzlich veränderte: Von Damaskus in die deutsche Ghurba. Sein Studium in der Frankfurter Schule war entscheidend; dabei durchlebte er den Wandel vom Glauben zum Denken.
Um 1970 veränderte sich zudem sein Status vom Studenten zum Flüchtling. Er strebte in der Folge echte Zugehörigkeit zu Deutschland an, als Citoyen, scheiterte aber regelmäßig an der Tatsache, dass Deutschland zwar ein Migrations-, aber keineswegs ein Integrationsland ist. Das wiederum trieb Tibi unter anderem zur mehrmaligen Flucht in die weite Welt – und so wurden die Probleme um Migration und Integration zum zentralen Thema seines Lebens und auch dieses Buches.
Tibi erfuhr, dass er zwar in Deutschland promovieren, sich habilitieren und Professor werden sowie eine brillante akademische Laufbahn mit 18 internationalen Gastprofessuren vorweisen kann, dennoch immer Passdeutscher bleibt und nie auf eine echte Integration als Citoyen hoffen kann, der voll akzeptiert ist und ein echtes Zugehörigkeitsgefühl empfinden darf, einen sense of belonging.
Nach vorübergehender Auswanderung in die USA kehrte Bassam Tibi 2010 wieder nach Deutschland zurück – und schloss mit Göttingen als Stadt, Universität und Wahlheimat seinen Frieden.
Tibis Autobiografie problematisiert nicht nur hochaktuell die Themen von Migration und Integration, sondern stellt auch ein außerordentliches Dokument deutscher Zeitgeschichte dar.
Er erlebte und beobachtete als Zeitgenosse die entscheidenden Entwicklungen im Nachkriegsdeutschland, vom "Fremdarbeiter"-Anwerben über die 68er, die Wiedervereinigung, die deutsche Vergangenheitsbewältigung und nicht zuletzt die Entstehung des ökologischen Zeitgeistes und die Flüchtlingskrise 2015. All dies hat Tibi als Zeitzeuge aus drei Perspektiven beobachtet: vor Ort in Deutschland, als Gastprofessor in den USA und aus der Perspektive der Welt des Islams.
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Veröffentlichung: | 07.03.2022 |
Höhe/Breite/Gewicht | H 21 cm / B 14,8 cm / 670 g |
Seiten | 472 |
Art des Mediums | Buch [Gebundenes Buch] |
Preis DE | EUR 39.90 |
Preis AT | EUR 41.00 |
ISBN-13 | 978-3-838-21105-3 |
ISBN-10 | 3838211057 |
Über den Autor
Bassam Tibi, Jahrgang 1944, wuchs in Damaskus auf und kam 1962 nach Deutschland, wo er Sozialwissenschaft, Philosophie und Geschichte sowie Islamwissenschaft studierte – unter anderem bei Max Horkheimer und Theodor W. Adorno sowie Iring Fetscher. Mit 28 Jahren wurde er zum Professor für Internationale Beziehungen in Göttingen berufen. Tibi lehrte und forschte auf fünf Kontinenten, u.a. in den USA an den Universitäten Harvard, Princeton, Cornell, Berkeley und Yale sowie in Dakar, Yaoundé, Khartum, Jakarta, Ankara, St. Gallen sowie Singapur und zuletzt 2016 an der American University of Cairo.
1995 wurde ihm von Roman Herzog das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Förderung eines besseren Verständnisses des Islam verliehen. 2003 erhielt Bassam Tibi, zusammen mit dem jüdischen Zeithistoriker Michael Wolffsohn, in der Aula der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich den Schweizer Preis der Stiftung für Abendländische Besinnung, in Anerkennung der Leistung beider für europäische Werte. 2016 wurde er in den Senat der von Helmut Schmidt ins Leben gerufenen Deutschen Nationalstiftung gewählt.
2019 wurde Tibi vom Vordenker-Forum, das von den Partnern Frankfurter Allgemeine Zeitung, Plansecur und Goethe-Universität Frankfurt getragen wird, in Würdigung für seinen Einsatz um ein offenes und integrationsstarkes Europa als Vordenker des Jahres ausgezeichnet.
-- Im Mai 1994 gründete Bassam Tibi mit dem Rabbiner Albert Friedlander in der Westminster-Synagoge in London den jüdisch-islamischen Dialog.
-- Von 2007 bis 2010 (mit Unterbrechungen in Yale und Cornell) war Tibi als erster Muslim am Forschungsinstitut des Holocaust Museum in Washington DC als The Resnick Senior Fellow for the Study of Antisemitism CAHS / Center for Advanced Holocaust Studies tätig.
-- In den Jahren 2018 und 2019 (Juli/August) hielt Tibi am St. John’s College der Oxford University Vorlesungen über den neuen Antisemitismus.
-- In der vorliegenden Autobiografie stellt Tibi seine Lebensgeschichte als eine Weltreise zwischen den Kulturen vor. Hierbei wird deutlich, dass Rassismus und Antisemitismus einen Rückfall in die Barbarei bedeuten. Diese Erkenntnis war auch zentrales Element von Tibis Gastrede, die er in Wien beim jährlichen Gedenktag 2019 gegen Gewalt und Rassismus vor dem österreichischen Parlament hielt.
-- Im September 2020 wurde Tibi von Bundespräsident Van der Bellen mit dem Österreichischen Ehrenkreuz 1. Klasse ausgezeichnet.
Tibi veröffentlichte im Zeitraum von 1969 bis 2021 dreiunddreißig Bücher in deutscher und von 1980 bis 2014 zwölf Bücher in englischer Sprache.
Seit 2016 erscheint Tibis Werk in neuen Ausgaben bei ibidem.