Die Sünden der Vorfahren
„Die Erbin“ von Claire Winter ist ein historischer Roman voller Spannung und Dramatik, in dessen Mittelpunkt eine junge Frau steht, die gegen den Willen ihrer mächtigen Familie deren Verfehlungen während der Zeit des Dritten Reichs aufdeckt.
Kurz zum Inhalt:
1957. Cosima, die Erbin der mächtigen Industriellenfamilie Liefenstein, engagiert sich mittels einer Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter. Als sie den Journalisten Leo Marktgraf kennenlernt, der im Zusammenhang mit dem rätselhaften Tod eines Anwalts Nachforschungen über die Liefersteins betreibt, beginnt Cosima selbst über die Vergangenheit ihrer Familie zu recherchieren. Bei ihren Verwandten stößt sie auf massiven Widerstand und Schweigen. Je tiefer sie in die Materie eindringt, offenbaren sich immer mehr Abgründe …
Das Cover mit der jungen Dame mit dem schnittigen Mercedes Coupé ist ein Eye-Catcher und stellt die Verbindung zu den 50er Jahren her. Das Buch erschien 2025 im Heyne Verlag. Die Kapitel sind jeweils nur wenige Seite lang, Orts- oder Zeitangaben finden sich primär im Text. Die Handlung spielt vorwiegend in Berlin und Köln und umfasst einen Zeitraum von 1929 bis 1957. Der Schreibstil ist flüssig, sprachlich der Zeit angepasst und großartig beschreibend, die Atmosphäre jener Zeit ist ausgezeichnet eingefangen - vom Alltag des Personals in einer hochherrschaftlichen Villa bis zu den Grausamkeiten und Schrecken des Krieges. Der Roman besticht durch exzellente Recherche, was die Autorin im Anhang „Wahrheit und Fiktion“ eindrucksvoll belegt. Eine Industriellenfamilie Liefenstein hat es nie gegeben, doch die Verstrickungen der deutschen Wirtschaft mit dem Nationalsozialismus sind Fakt.
Die Handlung verläuft abwechselnd in zwei Zeitebenen – einerseits verfolgt man Cosimas Recherchen im Jahr 1957, andererseits wird das Leben im Hause Liefenstein sehr anschaulich in chronologischen Zeitsprüngen ab 1929 geschildert. Alternierend wird aus Sicht der Hauptpersonen, d.s. Cosima, Elisa, Theodor, Edmund und Leo, erzählt. Die jeweiligen Perspektiven-, Zeit- und Ortswechsel fließen harmonisch ineinander über und die im Jetzt erlangten Erkenntnisse werden durch die Szenen aus der Vergangenheit erst richtig lebendig und emotionell. Die dramatischen Ereignisse ziehen einen in ihren Bann, man fiebert mit, leidet mit und das Grauen jener Zeit erschüttert einen. Der Spannungsbogen bleibt vom Anfang bis zum Ende fesselnd. Denn es fügt sich erst so nach und nach Puzzlesteinchen zu Puzzlesteinchen, bis sämtliche Zusammenhänge in ihrem erschütternden Ausmaß klar und offen vorliegen.
Die Charaktere, auch jene der Nebenfiguren, sind sehr eindrucksvoll und facettenreich gezeichnet. Die Menschen wirken lebendig, authentisch, zeigen Stärken und Schwächen und Gefühle, und sie entwickeln sich im Laufe der Handlung. Sie sind geprägt durch ihre Herkunft und letztlich leider auch durch die Geschehnisse während der Zeit des Nationalsozialismus, dessen magischem Einfluss leider die Mehrheit erlag und dessen Druck sich die meisten beugten. Cosima ist keine verwöhnte, oberflächliche reiche junge Frau, die nur als Gattin eines ebenfalls betuchten Unternehmers repräsentieren will. Sie ist selbstbewusst, klug und steht mit Herz und Seele hinter der von ihr gegründeten Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter.
Der Roman „Die Erbin“ hat mich gefesselt, begeistert und die Geschichte wird sicher noch lange in meinem Gedächtnis haften bleiben. Ein Lesehighlight und somit eine unbedingte Leseempfehlung und 5 Punkte.
Bookworm53
Bloggerin bei LeseHitsBookworm53
Kommentare
Die Erbin
Eine Geschichte über Liebe, Macht und einen Mord, der in die dunkle Vergangenheit einer großen deutschen Industriellenfamilie führt.Köln, 50er Jahre: Cosima ist Erbin der einflussreichen Industriellenfamilie Liefenstein. Doch mit der Gründung einer Stiftung für bedürftige Frauen und Mütter geht sie ihren eigenen Weg. Da tritt der Journalist Leo Marktgraf in ihr Leben, der Nachforschungen über den Tod eines Freundes anstellt. Die Leiche des Anwalts wurde am Ufer des Rheins gefunden, nur kurz nachdem er öffentlich schwere Anschuldigungen gegen die Liefensteins erhoben hatte. Cosima will Licht in die dunkle Vergangenheit ihrer Familie bringen und muss schon bald erkennen, dass nichts so ist wie es scheint. Aber in der jungen Bundesrepublik, in der niemand mehr an die Zeit des Dritten Reiches erinnert werden will, gibt es ein Netzwerk von Menschen, die noch immer mächtig sind. Sie sind bereit, alles dafür zu tun, dass Cosima und Leo der Wahrheit nicht auf die Spur kommen …