Bookworm53

Eine albtraumhafte Zukunftsvision

13.09.2025 - 19:35 Uhr
Cover: Vogelstimmen

„Vogelstimmen“ von Günter Neuwirth, ist ein niveauvoller politischer Roman, spannend, philosophisch, aufrüttelnd.

Als begeisterte Leserin von Günter Neuwirths historischen Triest-Krimis hat es mich brennend interessiert, ein anderes Genre aus seiner Feder zu lesen. Und es wurde eine interessante Erfahrung. Denn dieses Buch, das 2024 erschien, ist ausgesprochen vielseitig, punkto Thematik und Sprache sehr anspruchsvoll und herausfordernd, u.a. wenn es um philosophische Gespräche zwischen Wissenschaftlern geht, wo zwangsläufig auch Fachausdrücke fallen. Der Roman ist mit weitreichendem Fachwissen verfasst, sprachlich nuanciert. Andererseits gestaltet sich die riskante Reise der Protagonisten entlang der Westküste Afrikas als äußerst spannend. Der gesamten Handlung liegt zudem eine brisante politische Lage zugrunde. In Europa brodelt es, Länder schotten sich ab, Umweltschützer werden wie Terroristen behandelt. All die Themen, die uns tagtäglich bereits heutzutage unter den Nägeln brennen, wie Klimaveränderung, Überbevölkerung, Völkerwanderung, Raubbau an der Natur und Rohstoffen, Ausländerfeindlichkeit, gefährdete Demokratie, Gewaltherrschaft, Krieg und Frieden, u.v.a.m. bilden den Hintergrund für den Roman.

Im Hinblick auf das Szenario, das im Übrigen in der nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt ist, mutet das Cover seltsam lieblich an und der Titel befremdlich. Doch Rémy, einer der Hauptprotagonisten, ist Ornithologe, der seit frühester Jugend die Gesänge der Vögel erforscht. Gewissermaßen ziehen sich seine Erkenntnisse und Fähigkeiten, über die nicht so mit der Natur verbundene Menschen nicht mehr verfügen, als roter Faden durch den Roman. Die zweite Hauptperson ist Verena, Mathematikerin und Informatikerin, im wissenschaftlichen Umweltschutz aktiv. Sie wurde beauftragt, wichtige, in einer Forschungsstation am Südpol gesammelte Daten nach Europa zu bringen. Sie strandet wie Rémy in Senegal. Er folgt Zugvögeln zurück nach Europa, den Gartengrasmücken, sie muss die Daten retten. Gemeinsam mit zwei anderen Mitgliedern der Umweltschutzorganisation Blue Marble haben sie eine entbehrungsreiche und gefahrvolle ca. 3.000 km lange Autofahrt an Afrikas Westküste zu bewältigen.

Der stetige Perspektivenwechsel, auch zu Protagonisten, die sich in Europa befinden – den Gitarristen Alwin und die australische Straßenmusikerin Karlene, die sich in Spanien kennenlernen, sowie Harald und Katja, die in London am eigenen Leib gewaltsamen Aktionen ausgesetzt sind – gestalten die Handlung tempo- und abwechslungsreich, und steigern die Spannung. Man fiebert mit den Figuren mit. Eine Zukunftsvision, beklemmend, inklusive verstörender Denk- bzw. Lösungsansätze, doch mit der hoffnungsvollen Ansage am Ende des Buches: „Selbst wenn die halbe Welt da draußen verrücktspielt … wir kämpfen mit den Mitteln der Vernunft und der Empathie …“

Die Charaktere wirken lebendig und authentisch, weisen Stärken und Schwächen auf und zeigen Emotionen. Vor allem machen sie im Laufe der Reise eine Entwicklung durch. Sowohl Rémy, der mit der Natur verbundene, als auch die kühle, von Vernunft geprägte Verena, sind Einzelgänger und haben Probleme, zwischenmenschliche Beziehungen zu knüpfen. Doch letztlich finden sie nicht nur in Liebe zueinander, sondern erkennen auch den Wert von Freundschaften.

Mich hat die Lektüre jedenfalls gepackt, nicht nur die spannenden Erlebnisse der Protagonisten, sondern generell die zugrundeliegende Thematik, die nachdenklich stimmt und zu Diskussionen anregt. Von mir gibt es eine eindeutige Leseempfehlung! 5 Sterne.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 4/5
Handlung: 5/5
Spannung: 5/5
Schreibstil: 5/5
Blogger: Bookworm53

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Klappentext

Vogelstimmen

Roman von Günter Neuwirth
Cover: Vogelstimmen Der Ornithologe Rémy erforscht im Wald die Gesänge der Vögel, die Informatikerin Verena sammelt im Südpolarmeer Daten, der Gitarrist Alwin verbringt sein Leben in Tonstudios, die Australierin Karlene zieht mit ihrer Geige durch Europas Städte, Harald und Katja erleben die Abschaffung der Demokratie am eigenen Leib. Und an den Stränden des Mittelmeers hungern immer mehr Mitglieder der friedlichen Sekte der Weißen Tücher.
Was macht der nahende Kollaps der Ökosphäre mit den sechs jungen Menschen? Was tun, wenn Umweltschutz als Terrorismus gilt? Wo bleibt das Glück inmitten des ausbrechenden Irrsinns?

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