Bookworm53

Englische Agentinnen im französischen Widerstand

29.11.2025 - 15:25 Uhr
Cover: Wir dachten, das Leben kommt noch

„Wir dachten, das Leben kommt noch“ von Elisabeth Sandmann (erschienen 2025) beleuchtet ein Kapitel des Zweiten Weltkriegs, das wohl wenigen geläufig ist: den Einsatz von englischen Agentinnen in Frankreich zur Unterstützung der Résistance. Es ist dies ein Folgeroman zu „Porträt auf grüner Wandfarbe“. Zwar sind dies eigenständige Romane, dennoch denke ich, dass man Gwens Umfeld besser überblickt, wenn man Band eins gelesen hat.

Elisabeth Sandmann erzählt eine fiktive Geschichte, basierend auf historischen Fakten, die im Anhang nachzulesen sind. Die Handlung verläuft einerseits in zwei Handlungssträngen, andererseits in zwei Zeitebenen – in der Gegenwart (1998) und während des Zweiten Weltkriegs (1942). In der Gegenwart stehen zwei Personen im Mittelpunkt: die BBC-Reporterin Gwen, die den Auftrag erhält, ein Buch über jene Frauen zu schreiben, die seinerzeit der von Winston Churchill ins Leben gerufenen geheimen Spezialeinheit SOE (Special Operations Executive) als Agentinnen angehört haben, und Pat, die von Gwen bezüglich eines Interviews kontaktiert wird, und eine jener Agentinnen ist, die in Frankreich im Einsatz waren.

An und für sich ist der Schreibstil flüssig und bildhaft, viele Details unterstützen das Kopfkino. Der Lesefluss leidet jedoch ein wenig durch die abrupten Perspektiven- bzw. Ortswechsel und Zeitsprünge. Ich fühlte mich immer wieder unsanft aus dem Paris des Jahres 1942 herausgerissen, wo mich Emmas Schicksal gerade gefangen hielt, um plötzlich bei Gwens Familienleben in der Gegenwart zu landen. Letzteres empfand ich eher als nebensächlich und hie und da auch als zu ausufernd geschildert.

Der Handlungsaufbau ist eigentlich geschickt arrangiert, auch wenn man sich anfangs in der Vielzahl der Personen etwas verirrt – aber da ist das Personenverzeichnis am Ende des Buches recht hilfreich (fände ich am Anfang übrigens sinnvoller). Denn all die scheinbar in keinem Zusammenhang mit Pats/Emmas Einsatz stehenden Szenen, wie die Aufzeichnungen von Gwens Großmutter Ilsabé, deren Ersuchen, Lilou zu finden, die Gespräche mit Nebenpersonen, sind Puzzlesteinchen, die so nach und nach die Fäden verknüpfen, zu überraschenden Wendungen führen und zu einem schlüssigen Ende.

Ich fand den Roman interessant, wissenserweiternd, aber nicht spannend in dem Sinn, dass man sich um Pat/Emma geängstigt hätte. Sie gerät zwar in etliche brenzlige bis lebensgefährliche Situationen, die sie bewundernswert cool meistert, aber es ist zu ruhig, zu distanziert erzählt. Ein bisschen mehr Dramatik, Action und vor allem spürbare Emotionen hätten diese Szenen lebendiger gemacht.

Was die Charaktere anbelangt, so bleiben einige der zahlreichen Nebenfiguren ziemlich blass. Der Haupttenor liegt auf Pats Entwicklung, zunächst vom unscheinbaren Mädchen, im Schatten der hübscheren und energiegeladenen Schwester stehend, zur mutigen, sich in einem riskanten Umfeld bewährenden Agentin Emma, um danach wieder in Unscheinbarkeit zu versinken, denn die Leistungen der Agentinnen gingen seinerzeit unter. Erst als über 70-Jährige, nachdem sie ihre Schuldgefühle aus der Spionagezeit aufgearbeitet hatte, verwandelte sie sich zu einer wieder lebensbejahenden, für Neues offenen Frau. Gwens Wesen offenbart sich eher nur oberflächlich. Sie kämpft mit den Problemen jeder alleinerziehenden Mutter: Beruf und Zeit für das Kind unter einen Hut zu bringen. Sie liebt ihre Selbstständigkeit, ihren Beruf. Sie liebt wohl auch Balthasar, den Vater ihrer Tochter, zu dem freundschaftlicher Kontakt besteht. Aber er ist ebenso fest verwurzelt in Bayern wie sie in London. Eine schillernde Persönlichkeit ist Gwens Großmutter Ilsabé, reich, selbstbewusst und unabhängig, wirkt sie mitten in Kriegszeiten mit ihrem hochherrschaftlichen Stil etwas aus der Zeit gefallen.

Der Roman ist historisch informativ, würdigt die Leistung der Frauen im Zweiten Weltkrieg, die Protagonistinnen wirken authentisch und sympathisch. Auf jeden Fall ein Buch für jene, die gerne Bücher über starke Frauen lesen.


Gesamtbewertung: 4/5
Cover: 4/5
Handlung: 4/5
Spannung: 3/5
Schreibstil: 4/5
Blogger: Bookworm53

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Klappentext

Wir dachten, das Leben kommt noch

Historische Romane von Elisabeth Sandmann
Cover: Wir dachten, das Leben kommt noch

Die gefeierte Autorin und Verlegerin Elisabeth Sandmann hat einen Roman geschrieben, der den Bogen über Jahrzehnte spannt und fragt, wie weit man im Widerstand gehen muss.

Pat bekommt überraschend einen Anruf der BBC-Moderatorin Gwen, die sich für ihre Vergangenheit interessiert. Aber will sie darüber überhaupt reden? Nach so vielen Jahrzehnten, in denen sie kein Sterbenswort verraten durfte? Jahre, in denen sie dachte, das Leben kommt noch? Pats Vergangenheit führt tief hinein in ein unbekanntes Kapitel wagemutiger Frauen des Widerstands, die Sabotageakte verübten, geheime Funksprüche absetzten, lautlos töten mussten und beständig unterschätzt wurden. Gwen findet auf einer Recherchereise nach Paris nicht nur Erstaunliches über ihre verwegene Großmutter heraus, die dort in den Jahren der Okkupation lebte. Sie entdeckt auch jenen Schlüssel, der es Pat ermöglichen wird, sich der eigenen Erinnerung zu stellen.

Pats Geschichte reicht Jahrzehnte zurück und fühlt sich noch heute so brisant an, dass einem beim Lesen der Atem stockt.

Exzellent recherchiert, klug und mitreißend

Stimmen zu Elisabeth Sandmanns SPIEGEL-Bestseller »Porträt auf grüner Wandfarbe«:

»Elisabeth Sandmann ist in ihrem Roman das Kunststück gelungen, das Schwere und das Leichte zusammenzubringen.« MDR

»Eine pralle Familiengeschichte. Die Frauen in diesem Roman lassen sich nicht unterkriegen. Sie nehmen ihr Leben selbst in die Hand.« SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

»Raffiniert setzt sich die Geschichte aus Erzählungen, Tagebüchern und Briefen zusammen, aus der Überschneidung von Orten und Zeitebenen und über eine große Bandbreite sozialer Milieus.« Neue Zürcher Zeitung

»Elisabeth Sandmanns Debüt überzeugt mit starken Heldinnen und Geheimnissen, die Generationen in Atem halten.« BRIGITTE

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