Bookworm53

Gefühle in knappen Worten ausgedrückt

06.01.2025 - 17:12 Uhr
Cover: Jenseits des Nadirs

Der Sammelband „Jenseits des Nadirs“ von Rüdiger Marmulla enthält Novellen, die zwar verschiedenste Themen ansprechen, aber alle eines gemeinsam haben: sie berühren. Denn seine kleinen Geschichten haben eine ganz eigene Ausstrahlung. Trotz seines extrem minimalistischen Schreibstils – die Charaktere sind nicht tiefschürfend ausgearbeitet -, vermag er Gefühle zu vermitteln. Man fühlt mit diesen Menschen. Die Themen, wenn auch eher nur oberflächlich angeschnittenen, regen zum Nachdenken an.

In „Raue Ufer“ wartet ein Vater auf seine jahrelang nicht gesehene Tochter. Berufliche Umstände zwangen ihn zu einem Auslandsaufenthalt, wodurch der Kontakt zu ihr abriss. Er sehnt sich nach einem Wiedersehen, doch die Tochter reagierte bislang nie auf seine Briefe. Sie fühlte sich als Kind von ihm verlassen, ist nach wie vor verletzt. Man spürt seine Sehnsucht, seine Trauer über verlorene gemeinsame Jahre, aber auch seine Hoffnung – und man hofft als Leser mit ihm -, dass sie ihm irgendwann einmal vergeben wird.

In „Rückkehr zu den Yosemite Falls“ besucht ein Großvater mit seiner Enkelin Plätze, wo er einst mit seiner Frau glückliche Stunden verbracht hat. Er plante diesen Ausflug mit dem Hintergedanken, dort zu sterben, doch die Enkelin sorgt für seine Rettung und gibt ihm zu verstehen, wie sehr er geliebt und noch gebraucht wird. Die positive Botschaft dieser Novelle ist für mich, wie wunderbar es für alte Menschen ist, wenn es Familie gibt, die sich um sie kümmert, sie liebt. Doch ein wenig schwingt auch die Überlegung mit, inwieweit man das Recht hat, seinen Tod zu bestimmen.

In „Das letzte Duett“ erfüllt eine Krankenschwester einem Sterbenden einen letzten Wunsch. Sie zeigt Empathie zu einem Patienten, den der Arzt bereits aufgegeben hat, weil er sich nur mehr für jene Menschen interessiert, denen er medizinisch helfen kann. Eine Geschichte, die einerseits durch die Handlungsweise der Schwester berührt, andererseits aber auch durch die distanzierte, unmenschlich wirkende Einstellung des Arztes betroffen macht.

Die letzte Geschichte „Jenseits des Nadirs“ ist die fantasievollste dieses Bandes. Es ist viel Sternenkunde in diesem Text mit hinein verwoben. Es ist eine metaphysische Reise. Ein Junge ist auf der Suche nach einem Freund, den er letztens in seinem Glauben findet.

„Jenseits des Nadirs“ ist ein Büchlein, das man gar nicht in einem Zug verschlingen, sondern dessen Geschichten man auf sich einwirken lassen sollte. Ich schätze die Novellen von Rüdiger Marmulla ob ihrer menschlichen Ausstrahlung. Man versinkt ein wenig in einer Atmosphäre von Ruhe und Beschaulichkeit, emotional berührt und nachdenklich gestimmt.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 4/5
Handlung: 5/5
Blogger: Bookworm53

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Klappentext

Jenseits des Nadirs

Roman von Rüdiger Marmulla
Cover: Jenseits des Nadirs Die Suche nach einem Ort, an dem wir verstanden werden. Eine Reise über die Sterne hinaus. Das Ziel ist der ferne Nadir.
Vier Novellen von Rüdiger Marmulla werden in diesem Band vereint. In »Raue Ufer« versucht ein Vater, die Verletzungen seiner Tochter zu heilen. In der »Rückkehr zu den Yosemite Falls« reist ein Großvater gemeinsam mit seiner Enkelin an einen Ort seiner Jugend. Mit »Das letzte Duett« erfüllt eine Krankenschwester einem Sterbenden einen letzten Wunsch. Der Band schließt mit der Novelle »Jenseits des Nadirs«, in der wir einen Jungen auf seiner metaphysischen Reise begleiten.

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