Sehr spannend, aber keine Wohlfühlatmosphäre
„Wintersonnenwende“ von Pascal Engman & Johannes Selåker ist ein packender Kriminalroman, der zweite Band nach „Sommersonnenwende“ mit den Protagonistin Tomas Wolf und Lars Johansson (Zingo) sowie der Kriminaljournalisten Vera Berg.
Worum geht es?
Im Zuge eines Mordes im Rotlichtmilieu flieht eine nackte junge Frau. Sowohl die Polizei fahndet nach dieser Frau als auch die Journalistin Vera Berg. War sie Zeugin der Tat? Oder die Mörderin? Im Zuge ihrer Recherchen stoßen sie nicht nur auf weitere Mordopfer, der Fall nimmt ein ungeahntes Ausmaß an.
Das Cover stimmt gut auf die eisigkalte winterliche Atmosphäre in Schweden ein. Das Buch erschien 2023 unter dem Originaltitel „Skammens väg“ (Der Weg der Schande), die deutsche Ausgabe 2024, übersetzt von Ulla Ackermann. Die Handlung spielt im Jahr 1995, beginnend in der Silvesternacht, endend im März, abgesehen vom Prolog, der am 28. September 1994 (dem Tag, als die MS Estonia versank) stattfindet. Der Roman gliedert sich in Prolog, Epilog und fünf Teile. Der Schreibstil ist flüssig, atmosphärisch und mitreißend. Die Kapitel sind kurz, mit Zeitangaben versehen. Vorkommnisse jener Zeit sind hie und da eingestreut, auch der Stand der damaligen Technik, wie Nokia- und Motorola-Handys unterstreichen die Zeitepoche.
Grundsätzlich konnte ich der Handlung ohne Kenntnis des Vorgängerbandes problemlos folgen, auch dank diverser kurzer Hinweise auf vorherige Geschehnisse. Nichtsdestotrotz denke ich, dass man beide Bände in richtiger Reihenfolge lesen sollte, um den privaten Part der Protagonisten und deren Entwicklung noch besser zu verstehen.
Das Buch ist ab der ersten Seite spannend. Man fühlt sofort Sympathie mit Ellen, die Hals über Kopf flieht, nachdem ihr Freier erschossen wurde. Sie lebt unter einem Decknamen. Welches Geheimnis umgibt sie? Sowohl die Ermittler Tomas Wolf und Zingo suchen fieberhaft nach ihr, als auch die Kriminaljournalistin Vera Berg, jeweils zunächst unabhängig voneinander, doch letztlich erkennen sie, dass sie nur durch Zusammenarbeit weiterkommen. Zwischendurch erfährt man auch, wie es Ellen schafft sich zu verbergen. Dadurch ergeben sich drei Handlungsstränge. Die daraus resultierenden Orts- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung tempo- und abwechslungsreich. Cliffhanger sorgen zudem dafür, dass man das Buch kaum zur Seite legen möchte, auch wenn ich manche Szene fast unerträglich menschenverachtend und brutal empfand, vor allem weil ich fürchte, dass das nicht völlig erfunden wurde. Die Handlung spielt nun einmal in keinem Wohlfühl-Milieu, sondern im Rotlichtmilieu, und dort auf unterster Ebene, u.a. auf der Straße der Schande. Die Recherchen entpuppen sich als einigermaßen gefährlich für die Ermittler, die Jagd nach dem Mörder erweist sich als mühsam, Spuren versiegen, unerwartete Wendungen eröffnen neue Perspektiven, bis sich alles auf einem Punkt fokussiert, wo in einem dramatischen Finale der Täter entlarvt und Ellens Geschichte sich völlig aufklärt.
Die beiden polizeilichen Ermittler Tomas und Zingo wirken beide psychisch schwer angeschlagen. Es ist einiges angedeutet, doch denke ich, dass mir zum völligen Verständnis ihrer Charaktere doch der erste Band fehlte. Die beiden bilden ein hervorragendes, eingespieltes Team, sind gute Freunde und wissen von den Problemen des anderen. Sie achten aufeinander, ohne zu sehr in den anderen eindringen zu wollen. Zingo konnte ich noch schwerer abschätzen als Tomas, der offensichtlich schon eine schwierige Kindheit und Jugend hinter sich hat und zudem bei einem Kriegseinsatz traumatisiert wurde. Seit der Scheidung tut er sich auch schwer, den Kontakt zu seinen Kindern zu halten. Auch Vera Bergs extensiver beruflicher Einsatz erschwert ihr die Obsorge für einen Jungen, den sie sehr liebt, den Sohn ihres Ex-Freundes. Auch hier fehlten mir die Details aus dem ersten Band.
„Wintersonnenwende“ war einerseits für mich ein Pageturner, spannungs- und actionreich, voller Überraschungen, und unerwarteter Wendungen, andererseits waren für mich die Einblicke ins unterste Prostituiertenmilieu schwer zu ertragen. Das Ende des Romans lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Verbunden mit dem Ratschlag, unbedingt Band 1 vorher zu lesen, empfehle ich dieses Buch gerne weiter und vergebe 5 Sterne.
Bookworm53
Bloggerin bei LeseHitsBookworm53
Kommentare
Wintersonnenwende
Wolf und Berg ermitteln
Dieses Buch gehört zu der Reihe
»Wolf und Berg ermitteln« und umfasst derzeit etwa zwei Bände.