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Fraggle

Der Untergang der "Wager"

08.08.2024 - 10:44 Uhr
Cover: Der Untergang der "Wager"

Bei David Granns neuem Buch handelt es sich prinzipiell um ein Sachbuch, das, so viel kann vorweggenommen werden, in Sachen Spannung einem Roman jedoch in nichts nachsteht. In „Der Untergang der Wager“ befinden wir uns im Jahr 1739. Zwischen Spanien und England bricht der sogenannte „Krieg um Jenkins Ohr“ aus. Ja, der hieß wirklich so. Im Zuge dessen beschließen die Engländer, ein Geschwader aus einer Handvoll Schiffen auszuschicken, um ein Schiff der spanischen Silberflotte – Kenner der Historie oder von Sid Meiers „Pirates!“ werden nun wissend nicken – aufzubringen und die an Bord befindlichen Schätze zu erbeuten. Geplant ist die Route rund um Kap Hoorn. Und da der südliche Zipfel Südamerikas berühmt-berüchtigt für seine Stürme ist, wäre es eigentlich von im Wortsinne elementarer Bedeutung, zur richtigen Jahreszeit aufzubrechen.

Allerdings scheint das Unternehmen von Beginn an nicht unter einem guten Stern zu stehen, denn die Vorbereitungen ziehen sich ewig hin, weil es gar nicht so leicht scheint, die passenden Schiffe zu finden, auszubessern und auszurüsten und selbige dann noch mit fähigen Mannschaften auszustatten. Denn insbesondere an Seeleuten herrscht in der Seefahrernation England zu dieser Zeit ein eklatanter Mangel. Nun, zur Not wird eben schanghait. Und kaum ist endlich alles beisammen, breiten sich Krankheiten unter den Mannschaften aus, noch bevor es überhaupt so richtig losgeht.

Auch im späteren Verlauf bleibt das Pech dem Geschwader, insbesondere der „Wager“, hold, denn im Mai 1741 gerät diese vor Kap Hoorn in schwere Stürme und droht zu sinken. Die Überlebenden können sich mit Müh und Not auf eine Insel vor der Küste Chiles retten, heute noch bekannt als „Wager Island“. Damit beginnt der Überlebenskampf jedoch erst richtig, denn an Nahrungsmitteln gibt die Insel nicht viel her. Zudem gibt es voneinander abweichende Ansichten der Seeleute, wie es denn jetzt weitergehen soll, und Kapitän David Cheap hat alle Hände voll damit zu tun, seine Autorität auch nur im Ansatz aufrecht zu erhalten.

Letztlich machen sich zwei Gruppen der Überlebenden in unterschiedliche Richtungen auf den Weg. Die eine landet in Brasilien, die andere möchte am ursprünglichen Plan festhalten und nach Norden zum vereinbarten Treffpunkt zu segeln, um dort idealerweise wieder auf das Geschwader zu treffen.

Die Überlebenden der beiden Unternehmungen landen schließlich wieder in England – schildern die Gegebenheiten jedoch teilweise deutlich voneinander abweichend und bezichtigen sich gegenseitig zahlreicher Verbrechen. Letztlich kommt es zu einem Prozess vor dem Marinegericht.

David Grann hat sich zur Schilderung der Begebenheiten in zahllose zeitgenössische Dokumente, Logbücher, Briefe, Zeitungsartikel, Unterlagen des Gerichtes und was auch immer eingelesen und daraus eine faszinierende Geschichte gemacht, die ihre Stärken aus meiner Sicht in erster Linie in ihrer Detailverliebtheit und ihrer Lebendigkeit hat. Egal, ob es sich um die Aufstellung des Geschwaders und den Aufbau der entsprechenden Schiffe, um die Schilderung der aus der Besatzung als Protagonisten herausgegriffenen Seeleute oder die dramatischen Ereignisse auf Wager Island handelt, ständig hat man das Gefühl, Grann wäre selbst dabei gewesen.

Das ist dann natürlich nicht immer – eigentlich nie – eine wirklich reine Wohlfühlgeschichte, denn das Schicksal der Seeleute geht einem schon nahe, in meinem persönlichen Fall beispielsweise immer besonders dann, wenn gerade mal wieder berichtet wurde, wann wo wie viele Seeleute an Land ausgesetzt wurden, um sie einfach einem ungewissen Schicksal zu überlassen und nie wieder von ihnen zu hören. Und auch das Leben, Leiden und Sterben an Bord und auf Wager Island ist nur bedingt zur Anhebung der Laune geeignet.

Aber das wird nun auch nicht der Anspruch von „Der Untergang der Wager“ sein, dieser wird eher sein, eine faszinierende Mischung aus Sachbuch und Abenteuerroman zu sein. Und diesem kommt David Grann mit seinem Buch vollkommen nach. Wer sich auch nur im Ansatz für historische Romane begeistern kann, von denen es, wenn man mal ehrlich ist, heutzutage kaum noch wirklich gute gibt, der sollte einen Blick auf „Der Untergang der Wager“ riskieren.

Klare Leseempfehlung!


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5
Spannung: 5/5
Leser: Fraggle

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Klappentext

Der Untergang der "Wager"

Thriller von David Grann
Cover: Der Untergang der "Wager" *Wochenlang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste
*Eines von Barack Obamas »Favorite Books of 2023«
*Auf der Longlist für den Baillie Gifford Prize für Non-Fiction 2023
*Vielfaches Buch des Jahres
*In 25 Sprachen übersetzt

»Die größte Seefahrtsgeschichte, die je erzählt wurde.« The Spectator

»Ein spannender Bericht … dramatisch und fesselnd.« The Economist

»Liest sich wie ein Thriller.« Time Magazine


Januar 1742. Ein windschiefes Segelboot strandet an der Küste Brasiliens, an Bord 30 Männer, die einzigen Überlebenden des königlichen Eroberungsschiffs »The Wager«, das in einem Sturm zerschellt ist. Sechs Monate später: Drei Schiffbrüchige werden in Chile an Land gespült und erklären die 30 Männer zu Meuterern, die skrupellos gemordet hätten … Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Das soll ein britisches Kriegsgericht entscheiden. Es geht um Leben oder Tod. David Grann spinnt aus dem Archivmaterial eines historischen Kriminalfalls eine packende und atmosphärisch dichte Abenteuererzählung. Schuld und Unschuld, Treue und Verrat liegen eng beieinander, und am Ende kommt eine schockierende Wahrheit zutage …

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