Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104
Kaum ein Buch schafft es tatsächlich, mich zu Tränen zu rühren, aber dieses ist nun schon das zweite Buch der Autorin, dessen Geschichte mich gegen Ende hin tatsächlich hat Rotz und Wasser heulen lassen.
Diese spielt wieder einmal sowohl in der Vergangenheit, nach dem Zweiten Weltkrieg, als auch in der Gegenwart. Es geht wieder darum, was die Vergangenheit aus den Protagonisten, hier Margret und Hardy gemacht hat und wie deren Erfahrungen als Kinder sich auch auf die Gegenwart auswirkt. So müssen beide Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre in verschiedenen Heimen grausame Misshandlungen über sich ergehen lassen, Margret wird sogar gerade dann vergewaltigt, als sie sich endlich in Sicherheit wähnt. Die Autorin hat diesbezüglich sehr realistisch und ungeschönt geschildert, was den beiden angetan wird, sodass ich beim Lesen einige Male mehr als entsetzt, teilweise richtig wütend war. Ebenfalls fand ich sehr nachvollziehbar geschrieben, wie sich Margret und Hardy später immer näher kommen, nämlich sehr langsam und aus einer tiefen Freundschaft und Verantwortungsgefühl heraus.
Auch die Handlung in der Gegenwart ist wirklich gut und eindrücklich geschrieben. Hier begleitet man Emily, die es auch nicht gerade leicht hat. Sie leidet darunter, dass sie keine zuverlässige Bindung zu ihrer Mutter hat. Gleichzeitig kennt sie ihren Vater nicht. Ihr einziger Halt sind ihre Urgroßeltern, die aber noch immer unter den Geschehnissen ihrer eigenen Kindheit zu kämpfen haben. Dies führt zu einer großen Zerrissenheit, welche die Autorin ebenfalls super herüberbringen konnte. Genauso ging es mir mit der Beziehung Emilys zu ihren Urgroßeltern, die Liebe zwischen ihnen, aber auch die kleinen und großen Problemchen, gerade auch, als Emily in die Pubertät kommt.
Was ich der Autorin ebenfalls hoch anrechne, ist, dass sie auch für diesen Roman wieder sehr gut recherchiert zu haben scheint, denn die ganze Geschichte wirkt wie aus dem realen Leben gegriffen, ist sehr bildlich und nachvollziehbar geschrieben. Dazu kommt das super schöne Ende, welches vielleicht etwas sehr emotional ist, aber welches ich persönlich nach all dem Leid, den Problemen und Sorgen auch gebraucht habe. Zudem habe ich das, was dort geschieht, Hardy von ganzem Herzen gegönnt. Einzig einen versöhnlichen Satz gegenüber dem christlichen Glauben habe ich vermisst, denn Gott hat ganz sicher nie gewollt, was den Kindern damals durch die Institution Kirche angetan wurde.
Alles in allem war dieses Buch aber wieder einmal großartig, die Geschichte sehr berührend und gerade in den Teilen, die in der Vergangenheit spielen, schwer zu ertragen. Außerdem hangelt sich die Autorin erneut nah an der Realität entlang und macht auf Missstände aufmerksam, die es wirklich in Deutschland gab. Ich kann diesen Roman deshalb absolut weiterempfehlen und hoffe, dass die Autorin noch mehr schreiben wird.
Kitty
Bloggerin bei LeseHits„Bücher sind Schiffe, welche die weiten Meere der Zeit durcheilen.“ Francis Bacon
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Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104
Es gibt keinen Weg, der nicht irgendwann nach Hause führtAm Ende des Zweiten Weltkriegs wird mitten in Deutschland ein kleiner Junge gefunden, der nichts über sich selbst und seine Herkunft weiß. Sein Alter wird geschätzt, er bekommt den Namen Hartmut und wächst in einem katholischen Kinderheim auf, in dem viel Ordnung und noch mehr Zucht herrscht. Wer ist man, wenn man niemand ist? Dort lernt er die etwas ältere Kriegswaise Margret kennen, die ihn Hardy nennt und schon im Heim zu beschützen versucht. Die beiden werden zu einer unverzichtbaren Stütze füreinander und beschließen, sich nie wieder loszulassen. Klug, einfühlsam und berührend erzählt Susanne Abel in ihrem neuen Roman von der lebenslangen Liebe zweier Heimkinder. Doch während sie mit aller Kraft versuchen, gemeinsam das Geschehene zu vergessen und ein normales Leben zu führen, werden die Folgen ihrer Vergangenheit auch für die nachkommenden Generationen bestimmend. Eindringlich und aufrüttelnd. Ein bewegender Familienroman über den Einfluss unserer Vergangenheit auf unsere Nachkommen. Die kleine Emily leidet unter dem hartnäckigen Schweigen ihrer Urgroßeltern Margret und Hardy, bei denen sie wegen des unsteten Lebenswandels ihrer Mutter aufwächst. Als Jugendliche beginnt sie schließlich, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Wird es ihr gelingen, das Erbe der unverarbeiteten Traumata ihrer Familie endlich aufzubrechen? »Susanne Abel schreibt unterhaltsame, sogar humorvolle Romane aus dem Elend, in das wir alle hineingeboren werden, ohne es uns aussuchen zu können. Chapeau! «stern»Seit Tagen wechselten sich Schnee und Regen ab, und es war glatt. Deshalb musste jedes größere Kind ein kleineres an die Hand nehmen. Und so marschierten die Heimkinder in Zweierreihen im Dunkeln hinunter nach Drolshagen. Der Zug wurde angeführt von zwei größeren Jungs, die mit Marschtrommeln den Rhythmus vorgaben. Dahinter schritt die Oberin, gefolgt von den übrigen Nonnen. Anders als sonst nahm es an diesem 24. Dezember 1947 niemand mit dem üblichen Redeverbot so genau. Doch mit wem hätte Margret sprechen sollen? Der kleine Kerl neben ihr, von dem sie nur die Nummer und nicht den Namen kannte, war dafür zu dumm. Er rutschte aus und Margret konnte nur durch beherztes Zugreifen verhindern, dass er stürzte und am Ende auch noch sie zu Fall brachte.>Du musst meine Hand fester halten, Nr. 104<, ermahnte sie ihn. Der Kleine gab keine Antwort und setzte tapfer einen Fuß vor den anderen.«