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Die Waffen des Lichts

19.06.2024 - 09:36 Uhr
Cover: Die Waffen des Lichts

Lang ist es her, seit in Kingsbridge „Säulen in die Erde gerammt wurden“, als Prior Philipp mit Tom Builder den Bau einer Kathedrale plante. Follett erzählte bereits 1990 davon. Vermutlich war die Entwicklung zu einer „Kingsbridge-Saga“ noch nicht geplant. Die wurde mit DIE TORE DER WELT (2007) fortgesetzt, weitere zehn Jahre später folgte DAS FUNDAMENT DER EWIGKEIT – hier die Buchbesprechung. Bereits drei Jahre später führt uns der Autor weit zurück ins Jahr 997. Es geht um eine Brücke für den König und daher hat Band vier das fiktive Kingsbridge auch im Namen: Kingdbridge - Der Morgen einer neuen Zeit. Dazu findet sich die Buchbesprechung hier.

Die fiktive Grafschaft Shiring ermöglicht es dem Autor, ganze Epochen dort anzusiedeln, ohne auf den Ort und seine Ursprünge immer wieder eingehen zu müssen. Natürlich verweist er auch im vorliegendem Buch auf bisher auftretende "Kingsbridge-Persoen". Hier nun, im neuesten Band, erzählt er die Geschichte von Webern, Tuchmachern und von einem in ganz Europa tobenden Krieg.

Kingsbridge: Ein Thema, welches den Bestseller-Autoren Follett nun seit über dreißig Jahren umtreibt...

Sally (Sal) und Kit Clitheroe, das Wort Hero schon im Namen, sind die beiden wichtigsten Figuren in dieser Geschichte. Sal spinnt Garn, das Material bezieht sie dafür von Amos Barrowfield, dem Sohn eines Tuchmachers aus Kingsbridge. Ihr Mann verunglückt bei einem tragischen Unglück auf dem Feld des Gutsherrn und in Folge dessen gibt sie den sechsjährigen Sohn als Dienstjungen in das Haus des Gutsherren. Gut behandelt wird der Junge dort nicht, eines Tages fängt sich ein Sohn des Squires von Sal eine ein, worauf Sal mit dem Spinnrad und dem Jungen das Dorf verlässt um der Auspeitschung zu entgehen. Es gibt nur einen möglichen Weg, das ist der nach Kingsbridge.

Von diesem Ort wissen wir bereits, dass Wolle und Tuch wie in vielen Gegenden Englands die Grundlage für das Überleben einerseits und Reichtum andererseits bilden. Es ist die Zeit der französischen Revolution und vor deren Grausamkeiten und Massenhinrichtungen wie auch vor den aufkommenden Freiheitsideen hat man in England Angst. Schließlich haben die Franzosen ihren König und dessen Königin auf die Guillotine gebracht.

Die ersten drei von insgesamt sieben Teilen führen die Leserinnen und Leser in das Leben einer Tuchmacherstadt. Spinnmaschinen (Teil 1 – 1793) ersetzen nach und nach die herkömmlichen Webstühle. Der kleine Kit hat ein besonderes Gespür dafür, denn Sal und er arbeiten nun in der Fabrik dieses Amos Barrowfield. Auch Sal ist in der Lage, schnell mehrere Maschinen zu bedienen. Natürlich bedeutet die zunehmende Mechanisierung den Verlust von Arbeitsplätzen und wenn gleichzeitig alles wegen des beginnenden Krieges mit Frankreich teurer wird, kommt es zu Protesten und zum Aufstand der Hausfrauen (Teil 2 – 1895).

Die ersten Gewerkschaften bilden sich, jedoch erlässt das Parlament das Koalitionsgesetz (Teil 3 - 1799). Nein, da werden keine Gewerkschaften erlaubt, sie werden verboten. Kritik am Fabrikherren ist nicht erlaubt, grausame Strafen drohen den Arbeiterinnen und Arbeitern. Arbeitskämpfe, Streiks gelten als Eingriff in die Freiheit der Lohnherren. Sal und Kit haben bei Barrowfield dabei noch Glück. Follett erzählt mit seiner Geschichte daneben die der Maschinenstürmerei, denn die Weber schieben ihr soziales Unglück auf immer modernere und schneller arbeitende Maschinen.

Amos rettet den zweiten Mann von Sal, Jarge, vor dem Strick, indem er den Richter bittet, ihn statt dessen zur Armee und mit dieser nach Spanien zu den Truppen von Sir Arthur Wellesley zu schicken. So beginnen Teil 4 bis 7, der Krieg gegen die napoleonischen Truppen in Spanien bis Waterloo im Jahre 1815, Follett führt den Roman bis 1824 und damit über insgesamt 30 Jahre fort. Der Schauplatz verlagert sich von Kingsbridge zeitweise auf das Festland. Kit Clitheroe schafft es in der Miliz von Shiring und als Adjutant des Earls von Shiring bis zum Offizier. Es scheint wirklich eine neue Zeit langsam zu wirken, wenn (noch im Einzelfall) Menschen aus den eigentlich ärmsten Schichten so erfolgreich sein können wie Kit und seine Mutter.

Viele fiktive Figuren agieren hier miteinander, die einzig historische Person ist, denke ich, Arthur Wellesley, der spätere Duke of Wellington, der Sieger von Waterloo. (Es ist übrigens Kit, der von ihm den Auftrag erhält, sofort zu melden, wenn Blüchers Truppen sich in Richtung Waterloo in Marsch setzen – die Rettung der britischen Truppen - Den hierzulande bekannten Spruch "Ich wollte es wär Nacht oder die Preußen kämen", unterschlägt uns Ken Follett).

Vor uns liegt ein sehr informativer Roman, der den aufsteigenden Kapitalismus mit den Möglichkeiten und Nachteilen für die kommenden Lohnarbeiter erzählt, der vom englischen Wahlsystem berichtet, den sozialen Bedingungen der Arbeiter und Arbeiterinnen, der aber auch die unterschiedlichen Motivationen der Fabrikherren beleuchtet. Amos Barrowfield erinnert ein wenig an Frühsozialisten wie Robert Owen. Drastische Strafen werden in Fabriken werden abgeschafft oder nicht mehr angewendet, eine gewisse Bildung für Arbeiterinnen und Arbeiter als beiderseitig vorteilhaft angesehen. Barrowfield und Elsi, Tochter eines anglikanischen Bischofs, gründen eine Sonntagsschule für die Kinder. Erste Ideen für Beteiligungen in Genossenschaften entstehen und Gewerkschaften sind zwar Gegner, zukünftig werden Kompromisse zu beiderseitigem Nutzen eine Rolle spielen. Korruption (Stoff für Uniformen für Miliz und Heer) und harte Konkurrenz zwischen den Fabrikherren werden thematisiert.

Ken Follett hat wieder einen Roman geschrieben, der Geschichte anschaulich und tiefgreifend erzählt, eine Kennzeichen, das ihn für mich etwas heraushebt in der Gruppe von Autorinnen und Autoren historischer Romane. Seine Intentionen sind erkennbar, schlägt man das jeweilige Buch nach der letzten Seite zu. Er will eine bestimmte Geschichte in einer bestimmten Epoche erzählen. Dies immer wieder von einem fiktiven Zentrum aus zu versuchen, ist eine besondere, aber sicher sehr geeignete Methode. Da scheint Luft nach oben zu sein, oder eben vor und zurück. Es wäre schon spannend, Ken Follett noch einmal dahin zu folgen oder von dort in eine andere Zeit...

Waffen des Lichts: Der Titel erschließt sich dem Leser nur, wenn er den Vers aus RÖMER 13:12 nicht überblättert hat:

"So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts."

Hiermit hat Follett sicher die neu aufkommenden Rechte und Möglichkeiten der Arbeiterinnen und Arbeiter in einer neuen, damals durchaus progressiven Gesellschaftsordnung, dem Kapitalismus gemeint.

Die Illustrationen der Bücher änderten sich mit der Zeit, die Vorseiten zieren meist eine zeitgenössische Karte Englands oder Europas, die Kapitel oder Teile bekamen ein thematisches Bild. Am schönsten finde ich die realistischen Zeichnungen aus den letzten beiden Büchern, wie das Bild von der Kingsbridge oder die beiden obigen Bildausschnitte aus "Waffen des Lichts".

* * *

Kingsbridge Saga:

© Der Bücherjunge


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5
Spannung: 5/5

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Klappentext

Die Waffen des Lichts

von Ken Follett
Cover: Die Waffen des Lichts

Willkommen zurück in KINGSBRIDGE!

Mit seinem neuesten Roman läutet Ken Follett für die Menschen in Kingsbridge eine neue Ära ein. Eine Ära, in der Tradition und Fortschritt aufeinanderprallen, Klassenkämpfe in alle Teile der Gesellschaft vordringen und der gesamte Kontinent von einem erbitterten Krieg erfasst wird: die Zeit der Industrialisierung.

Fortschritt und Niedergang

Ein industrieller Wandel, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat, ergreift ganz England, auch Kingsbridge, und nimmt denjenigen, die in den Garn- und Tuchmanufakturen arbeiten, die Grundlage ihrer Existenz. Gefährliche neue Maschinen ersetzen die Arbeit von Hand und reißen Familien auseinander.

Krieg und Befreiung

Während die Herrschenden in England alles dafür tun, um ihr Land zur dominierenden Wirtschaftsmacht zu formen, greift in Frankreich Napoleon Bonaparte nach der Macht. Bald schon dürstet es ihn nach mehr: Spanien, die Niederlande, ganz Europa. Ein großer internationaler Konflikt bahnt sich an, immer mehr Männer ziehen in den Krieg. Zugleich stellt sich eine Gruppe von Kingsbridgern - darunter Spinnerin Sal Clitheroe, Tuchhändler Amos Barrowfield, Weber David Shoveller und Kit, Sals ebenso erfinderischer wie eigenwilliger Sohn - dem Kampf einer ganzen Generation. Sie streben nach Bildung und Wissen und kämpfen für eine Zukunft ohne Unterdrückung ...

Fortschritt und Niedergang, Krieg und Befreiung, Liebe und Verrat - in seinem fünften Kingsbridge-Roman rückt Ken Follett erneut ein großes, zeitloses Thema in den Mittelpunkt: den Kampf um Bildung und Meinungsfreiheit.

Reihe
4.4 87502

Kingsbridge-Roman


Dieses Buch gehört zu der Reihe »Kingsbridge-Roman« und umfasst derzeit etwa sechs Bände.

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