Der Mordfall Hinterkaifeck - Spuren eines mysteriösen Verbrechens von Peter Leuschner
Inhaltsangabe:
In der Nacht vom 31. März auf den 01. April 1922 ereignete sich auf dem oberbayerischen Einödhof Hinterkaifeck unvorstellbares Grauen, welches 100 Jahre danach noch immer ganz Deutschland beschäftigt. Die fünfköpfige Familie, bestehend aus dem Austragsehepaar Andreas und Cäzilia Gruber († 64 J. u. † 72 J.), deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel († 35 J.) sowie die beiden Kinder Cäzilia Gabriel († 7 J.) und Josef († 2 J.) wurden von einem unbekannten Täter oder mehreren Tätern kaltblütig mit einer Reuthaue erschlagen. Auch die körperlich und geistig eingeschränkte Magd Maria Baumgartner († 45 J.), die nur wenige Stunden zuvor erst ihre neue Arbeitsstelle im Hause Gruber-Gabriel angetreten hatte, blieb von diesem im Blutrausch besessenen Verbrecher nicht verschont.
Über mehrere Tage hinweg lebte der Mörder nach der Tat unberührt mit den Opfern unter einem Dach zusammen, aß von deren Speisen und versorgte notdürftig das Vieh im Stall. Sowohl das Ehepaar Gruber, als auch deren Tochter Viktoria und der kleine Josef starben unmittelbar an ihren schweren Kopfverletzungen, hingegen Zilly den Angriff überlebte. In ihrem zweistündigen Todeskampf riss sich die Schülerin büschelweise die Haare aus, bis auch das Mädchen letztendlich ihren Verletzungen erlag. Dieser Mord, der eine komplette Familie auslöschte, blieb bis zum Nachmittag des 04. Aprils 1922 unbemerkt. Obwohl Zilly bereits mehrere Tage unentschuldigt in der Schule fehlte, Andreas Gruber ebenfalls tagelang nicht auf seinen Feldern gesehen wurde und kein Familienmitglied am Sonntagsgottesdienst teilnahm, machten sich die Nachbarn aus Gröbern und Waidhofen bis dato keine Sorgen, da die Hinterkaifecker eher für sich zurückgezogen lebten.
Nichtsdestotrotz macht sich Ortsführer Lorenz Schlittenbauer mit seinen beiden Nachbarn Jakob Sigl und Michael Pöll vier Tage nach dem letzten Kontakt mit dem alten Gruber auf den Weg auf das ca. 250 Meter entfernte Grundstück, um nach dem Rechten zu sehen. Schon beim Betreten des Anwesens geht eine unheilvolle Stimmung von dem Haus aus, sodass sich die drei Männer gewaltsam Zutritt über das Stadltor ins Hausinnere verschafften. Dabei stolperte Schlittenbauer über den Fuß des verstorbenen Hausherren, dessen Körper notdürftig mit Stroh und einer Holztüre abgedeckt wurde. Doch unter dieser provisorischen Vorrichtung befanden sich noch drei weitere Leichen - nämlich die der kleinen Zilly, deren Mutter und Großmutter. Pöll und Sigl, die bei dem schrecklichen Anblick der Toten sofort kehrt machten und ins Freie stürmten, ließen Schlittenbauer alleine zurück, der sich nun auf die Suche nach seinem Sohn Josef machte, der scheinbar aus einer kurzen Affäre mit Viktoria Gabriel entstand. Allerdings kam für den kleinen Bub, der noch im Stubenwagen lag, jede Hilfe zu spät, wie auch für die Magd in der Mägdekammer, die noch mit dem Auspacken beschäftigt war, als der Mörder über sie herfiel. Umgehend wurden Polizei und der Bürgermeister verständigt. Mitten in der Nacht traf die Mordkommission ein, die nach nur wenigen Stunden bereits den Tatort wieder verließ, hingegen immer mehr Schaulustige aus dem Umkreis herbeieilten, die mit ihrem unbedachten Verhalten wertvolle Spuren vernichteten.
Ab diesem Zeitpunkt beginnt eine jahrelange Odyssee an Ermittlungen, Fahndungen und Untersuchungen nach dem oder den Tätern. Erstmalig in der Geschichte werden 100.000 Deutsche Mark Belohnung für denjenigen in Aussicht gestellt, der den entscheidenden Hinweis zu diesem Verbrechen bringt.
Doch die Familie Gruber-Gabriel scheint sich nicht nur der Blutschande strafbar gemacht zu haben, sondern war angeblich zudem noch in dubiose Machenschaften und Beziehungen verwickelt, die letztlich mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben.
Noch heute stellen sich alle die Frage: Wer war der Mörder bzw. die Täter und was war das Motiv?
Eigene Meinung:
Auch 100 Jahre danach ist der Sechsfachmord von Hinterkaifeck noch immer unaufgeklärt. Obwohl bereits ein Jahr nach der Tat das komplette Anwesen abgerissen - und 1944 bei einem Bombenangriff in Augsburg das gesamte Ermittlungsmaterial der ursprünglich dafür zuständigen Staatsanwaltschaft Neuburg verbrannt ist, will über das grausame Verbrechen nach wie vor kein Gras darüber wachsen.
Ganz im Gegenteil: Kaum ein Fall bietet so viele Spekulationen über das Motiv und den Hintergrund wie bei diesem. War es ein privater Racheakt, ein Raubmord oder fiel die Familie aufgrund von politischen Machenschaften einem Fememord zum Opfer?
All diese Fragen und noch mehr beleuchtet Journalist und Autor Peter Leuschner in seinem Buch "Der Mordfall Hinterkaifeck - Spuren eines mysteriösen Verbrechens". Denn Leuschner ist es gelungen, was vor ihm noch keiner geschafft hat: Er erhielt als einziger Einblick in die noch bestehenden Originalakten, die auf dem Speicher des Münchner Präsidiums jahrelang gelagert - und nun im Bayerischen Staatsarchiv München aufbewahrt werden. Unter Aufsicht eines Beamten las sich Leuschner wochenlang in den Dienstzimmern des Münchner Präsidiums in die Zeitdokumente ein, versuchte den Tathergang anhand der Zeugenaussagen zu rekonstruieren und hinterfragte immer wieder -stets auf neutraler Basis- welcher der Verdächtigen wirklich für die Tat infrage kommen könnte. Bei seinen Recherchen fiel ihm nicht nur fehlerhaftes Verhalten seitens der polizeilichen Ermittlungen auf, sondern auch unter welchem hohen Druck die damaligen Beamten standen, um den Fall doch noch zu klären.
Dieses Buch ist das Standardwerk, welches für interessierte Hobbydetektive ein absolutes Must-have ist. Auf über 376 Seiten erfährt der Leser alles über die Familie Gruber-Gabriel, über die Magd Maria Baumgartner, aber auch über die Nachbarschaft und die ermittelnden Beamten, insbesondere den Leiter der Mordkommission Georg Reingruber.
Auf den hinteren Seiten befinden sich nicht nur zahlreiche Bilder wie Tatortaufnahmen und Fahndungsfotos, sondern auch viele Originaldokumente, die zum Glück noch in München aufbewahrt wurden und nun für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Leuschner versteht es, die Tatsachen spannend und neutral zu Papier zu bringen, ohne sich von Aussagen oder Mythen beeinflussen zu lassen.
Fazit: Ein Standardwerk, welches Einblick gibt in den Mythos Hinterkaifeck. Wissenswert und höchst aufschlussreich.
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen
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Bloggerin bei LeseHits@printbalance