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Das Leuchten der Rentiere

12.07.2024 - 15:20 Uhr
Cover: Das Leuchten der Rentiere

Ich gebe es zu, manchmal kaufe ich Bücher einfach, weil mich ihre Cover ansprechen. So war es auch mit Das Leuchten der Rentiere. Umso schöner ist es, wenn mich dann der Inhalt voll und ganz abholen kann. Und das hat die Geschichte von Elsa und den Rentieren mehr als geschafft. Sie hat mich dazu gebracht, mehr über eine fast vergessene Kultur wissen zu wollen und genauer zum Konflikt der Kulturen zu recherchieren.

Ein jähes Ende der Kindheit

Die Geschichte beginnt im Winter 2008 mit einem traumatischen Erlebnis für die 9-jährige Sami Elsa. Als sie zum ersten Mal mit den neuen Skiern zum Rentiergehege fährt, muss sie mitansehen, wie ihr Rentierkalb Nastegallu vom schwedischen Wilderer Robert Isaksson getötet wird. Eingeschüchtert von seiner Drohung schweigt Elsa und so legt die Polizei die Anzeige – wie so viele davor und danach – zu den Akten. Doch ihre Schuldgefühle bleiben.
Zehn Jahre später kehrt Elsa nach dem Abitur in das Dorf zurück und alles scheint unverändert. Wilderer quälen und töten Rentiere, handeln illegal mit deren Fleisch und fühlen sich durch die weitgehend überforderte und desinteressierte Polizei geschützt. Zudem wird die Samische Lebensweise vom Klimawandel bedroht und das Unverständnis zwischen der Schwedischen und der Samischen Bevölkerung scheint unüberwindlich. Die Sami und ihre Kinder sind strukturellem Rassismus ausgesetzt, psychische Erkrankungen und Suizid sind weit verbreitet. Gleichzeitig sind die Strukturen innerhalb der Samischen Bevölkerung sehr strikt, Elsas Mutter wird als Rivgu nie vollständig akzeptiert und Elsa, die für die Rentiere brennt, wird von patriarchalen Strukturen ausgebremst. Doch sie ist nicht mehr das kleine, verängstigte Mädchen, sie kämpft trotz mächtig Gegenwind für ihre Zukunft und die ihres Volkes.

Von einer vergessenen Kultur und einem unbekannten Konflikt

Ann-Helén Laestadius – selbst mit samischen Wurzeln – erzählt ruhig und einfühlsam von einer beinahe vergessenen Kultur und Lebensweise hoch oben im Norden, wo die Sonne im Sommer nicht mehr untergeht. Dabei begeistern zunächst die stimmigen Beschreibungen samischen Lebens, wie auch die Landschaftsbilder und lassen uns Leser*innen eintauchen in diese spezielle Welt über dem Polarkreis. Im zweiten und dritten Teil des Buches steigert sich dann die Spannung und auch Elsas Persönlichkeitsentwicklung wird gekonnt herausgearbeitet.
Ich finde, man erfährt einiges zur Kultur der Sami und zum immer schwelenden Konflikt mit der schwedischen Bevölkerung, sowie den Energie- und Bergbaukonzernen oder dem Tourismus. Natürlich hätte die Autorin da noch weiter ausholen und genauer darauf eingehen können, ich finde aber, dass die Stärke des Buches in seinen Protagonisten liegt. Denn Lösungen, die für alle zufriedenstellend sind, sind wohl schlichtweg nicht zu finden und so macht es mehr Sinn, Elsa und den anderen Protagonisten eine Stimme zu geben und eine persönliche Perspektive zu zeigen. Für alles andere gibt es das Internet. So habe ich es jedenfalls im Anschluss an die Lektüre gemacht und was man da bei der Recherche erfährt, ist ganz schön erschreckend.

»Samisch zu sein bedeutete, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht.«
S. 213

Fazit

Das Leuchten der Rentiere ist ein eindringlicher und doch ruhiger Roman, der von einer alten Kultur hoch im Norden erzählt und Licht auf einen Konflikt wirft, der bei uns kaum Beachtung findet. Ann-Helén Laestadius gibt ihren Protagonisten eine starke Stimme und lässt sie ihre Perspektive erzählen. Man erfährt so einiges über die Lebensweise der Sami, über die Rentierhaltung und die Konflikte, die daraus entstehen. Das macht neugierig auf mehr und wer sich nach der Lektüre bemüht und zu den Themen recherchiert, erfährt so noch einiges dazu.
Falls ihr also einen Schmöker mit starken Charakteren, tollen Landschaftsbildern und einer spannenden Handlung sucht, kann ich Das Leuchten der Rentiere von ganzem Herzen empfehlen.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5
Spannung: 4/5
Blogger: Daniela | read eat live

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Klappentext

Das Leuchten der Rentiere

Roman von Ann-Helén Laestadius
Cover: Das Leuchten der Rentiere

Die unvergessliche Geschichte eines Sámi-Mädchens, das in einer im Verschwinden begriffenen Welt für seinen Platz im Leben kämpft. Ein Roman, so fesselnd und bezaubernd wie die schneebedeckte Weite, in der er spielt.

Die Sámi Elsa ist neun Jahre alt, als sie allein Zeugin des Mordes an ihrem Rentierkalb wird. Der Täter zwingt sie, zu schweigen. Sie kann nichts tun und fühlt sich doch schuldig, gegenüber ihrer Familie und allen, die ihr nah sind, denn wieder einmal sieht die Polizei keinerlei Anlass, in einem Verbrechen zu ermitteln. Elsas Rentier gilt schlicht als „gestohlen“. Als die Bedrohung der Sámi und ihrer Herden dramatisch zunehmen und auch Elsa selbst ins Visier des Haupttäters gerät, findet sie endlich die Kraft, sich ihrer lange unterdrückten Schuld, Angst und Wut zu stellen. Aber wird sie etwas ausrichten können gegen die Gleichgültigkeit der Behörden und die Brutalität der Täter?

»Was immer Sie sonst noch im Leben vorhaben: Diesen Roman müssen Sie lesen!« Dagens Nyheter

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