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Der Junge aus dem Meer

01.04.2025 - 20:43 Uhr
Cover: Der Junge aus dem Meer

Der Junge aus dem Meer von Garrett Carr erschien im Argon Verlag. Das Hörbuch wurde von Richard Barenberg eingelesen, der mit seiner Stimme genau den passenden Ton für die Geschichte trifft. Diese spielt in einem kleinen Küstenörtchen an der Westküste von Irland, Anfang der 70er Jahre. Zu der Zeit wird scheinbar ein Baby an den Strand gespült, das von den Dorfbewohnern aufgenommen und ein Leben lang beäugt wird. Ein Zuhause findet der Junge schließlich bei Fischer Ambrose und seiner Frau Christine und so dürfen wir als Hörer seinen Lebensweg bis ins erwachsenen Alter verfolgen.

Wenn du jetzt bei dem Findelkind direkt „Das Dschungelbuch“ oder auch „Harry Potter“ im Kopf hast, bist du auf einer ganz falschen Fährte. Hier geht es nicht um die Abenteuer eines kleinen Findelkindes und auch nicht um ein Abtauchen in fantastische Welten. Es dreht sich um so viel mehr. Wir haben hier eine abgeschiedene Kleinstadt, die durch das Auffinden des Jungen aufgewühlt wird. Wir haben eine liebevolle Familie, die dem Jungen, er wird von ihnen auf den Namen Brendan getauft, ein Zuhause gibt. Sie lassen ihm genau die gleiche Liebe zuteilwerden, wie ihrem leiblichen Kind. Wir dürfen eintauchen in die Welt der Fischer und wie sich der Fischfang im Laufe der Zeit von kleinen Kuttern zu großen Industrieanlagen verändert. Weiterhin begleiten wir das Leben von Brendan und wie dieser all seine Liebe auf seinen großen Bruder fixiert, der dafür nicht wirklich empfänglich ist. Im Prinzip dürfen wir einfach in ein ganz normales Familienleben eintauchen, dass durch Höhen und Tiefen gezeichnet ist. Und doch ist es auch noch so viel mehr als das.

Die Erzählperspektive war für mich komplett neu und so habe ich im ersten Moment gespannt der Stimme von Richard Barenberg gelauscht. Denn wir haben es hier nicht mit einem Ich-Erzähler zu tun und auch keiner aus der dritten Person, sondern der Erzähler spricht in der ersten Person plural mit mir als Leser und so habe ich das Gefühl, ich würde dem ganzen Dorf bei ihrer Geschichte zuhören. So bekomme ich ganz viele Blicke auf Brendan und seine Adoptivfamilie und darf aus ganz unterschiedlichen Sichtweisen ein Blick auf das Geschehen werfen. Nach der anfänglichen Irritation, der ungewöhnlichen Erzählperspektive, habe ich mich einfach fallen lassen.

Die bedächtige Stimme des Sprechers gab mir das Gefühl, von oben auf die Szenerie zu schauen und das Leben der Dorfbewohner in der Donegal Bay zu betrachten. Dabei ist der Fokus bei Ambrose Familie und im Speziellen bei Brendan Bonner. So durfte ich zwar von außen teilnehmen, behielt aber die ganze Zeit einen gewissen Abstand zum Geschehen und war quasi ein Zaungast. Denn ich konnte keinen Blick in die Gefühlswelt des Jungen werfen. Ich bekam nur die Eifersucht seines Bruders zu spüren und musste Ambrose dabei begleiten, wie er unweigerlich mit seinem kleinen Fischkutter allein seine Runden drehte, während die Zeit an ihm vorbeizog.

Besonders Ambrose Erzählungen aus dem Hier und Jetzt, aber auch aus seiner Vergangenheit haben es mir angetan. Ich hatte dann quasi meinen eigenen Vater vor Augen, der über 40 Jahre lang nahezu täglich, außer in den Wintermonaten zur See gefahren ist. Als Krabbenfischer war er im nordfriesischen Wattenmeer unterwegs und musste sich im Laufe der Jahre mit den veränderten Bedingungen auseinandersetzen. Zu gerne erinnere ich mich an eigene Ausfahrten auf der Nordland zu den besten Fanggründen. Hier hatte mein Vater einen siebten Sinn und hielt sich nicht immer im Kreise seiner Kollegen auf, sondern eroberte auch andere Stellen um an das Gold der Nordsee heranzukommen. Ich finde, das Leben des Fischers und seiner Familie wurde sehr realistisch getroffen, mit all seinen Ängsten und Gefahren der Zeit.

Hast du Lust auf eine ganz besondere Erzählung über ein Fischerdorf in Irland? Dann lausche der Stimme von Richard Barenberg, während er aus „Der Junge aus dem Meer“ von Garrett Carr liest. Nehme die Aufregung von Messy war, als das Kind in einer Fischertonne gefunden wird. Und begleite Brendans Leben in der Familie Bonner. Verdrehe die Augen zusammen mit seinem großen Bruder, während der Junge auf Streifzüge geht und spüre all die Eifersucht, die aus jeder Pore von Declans Haut strömt. Erlebe das Leben der Fischer und begleite Ambrose bei seinen Ausfahrten und mache dir ein ganz eigenes Bild von der Situation. Ich habe die besondere Erzählform genossen und konnte mich ganz und gar in die Geschichte fallen lassen. Ich empfehle es jedem weiter, der die leisen Töne im Leben mag und gerne abtaucht in ganz besondere Familiengeschichten. Von mir gibt es eine ganz klare Hörempfehlung.


Gesamtbewertung: 5/5
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Klappentext

Der Junge aus dem Meer

Roman von Garrett Carr
Cover: Der Junge aus dem Meer

Bewegend und kraftvoll erzählt Garrett Carr die Geschichte eines Jungen, der versucht, seinen Platz in der Welt zu finden, und die einer Familie und Gemeinschaft, die gemeinsam den Widrigkeiten des Lebens trotzen. Ein Hörbuch, das Hoffnung macht.

In einer kleinen Gemeinde an der Westküste Irlands wird 1973 ein Baby am Strand gefunden. Ambrose, der Fischer, und seine Frau Christine adoptieren den Jungen, der fortan den Namen Brendan Bonner trägt. Alle sind fasziniert von diesem Kind, dessen Herkunft ein Rätsel ist und Brendon, der für viele ein Rätsel bleibt, gibt dem vom Sturm der Zeitläufte gebeutelten Dorf die Hoffnung an ein gutes Leben zurück.

Zwanzig Jahre folgen wir dem Leben der Familie, das geprägt ist von Fürsorge und Schweigen, von der Rivalität der Brüder, von finanziellen Sorgen, aber auch dem Glück, von einer Gemeinschaft getragen zu werden.

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