Wolfgang Schwerdt

»Captain Behring’s Journal«.

07.06.2024 - 08:45 Uhr
Cover: »Captain Behring’s Journal«.

Die „Entdeckung der Welt“ verbinden wir vor allem mit Namen wie James Cook oder de La Pérouse mit ihren Südseereisen oder natürlich John Franklin mit seiner tragisch gescheiterten Suche nach der Nordwestpassage. Auch Cook und de La Pérouse ließen auf ihren Südseereisen Abstecher in den hohen Norden, in die heutige Beringsee, nicht aus, um einen Seeweg zwischen dem Atlantischen und Pazifischen Ozean zu finden. Doch bei der Suche nach einer Passage zwischen Russland und Alaska taucht auch der Name des dänischen Marineoffiziers Vitus Bering auf, der in russischen Diensten zwei Expeditionen in die nordöstlichen Regionen unternommen hatte. Zu diesen beiden als Kamtschatka-Expeditionen bezeichneten Reisen in die damals noch weitgehend unerschlossenen Regionen des östlichen Zarenreiches präsentiert Gerd von den Heuvel im vorliegenden Buch zwei bislang in der Öffentlichkeit unbekannte Originaldokumente aus dem Niedersächsischen Landesarchiv Hannover.

In Russlands wildem Osten

Als Vitus Bering noch von Zar Peter auf seine erste Kamtschatka-Expedition geschickt wurde, war der weit im Osten liegende Teil des riesigen Reiches noch kaum erschlossen, geschweige denn kartiert. Pelzjäger hatten sich zunächst dort niedergelassen und seit dem 17. Jahrhundert eroberten russische Kosakenverbände und Abenteurer Sibirien, gründeten Städte, Klöster und Festungen und erreichten das Ochotskische Meer, das von den Kurilen im Süden und der Halbinsel Kamtschatka im Osten zum pazifischen Ozean abgegrenzt ist. Mit der Eroberung und der damit verbundenen Niederschlagung indigenen Widerstands war jedoch die Herrschaft der Zaren über den östlichen Teil ihres Reiches keineswegs gesichert, schließlich handelte es sich bei den Kosaken um recht freiheitsliebende Reiterverbände, die sich nur bedingt von Moskau aus kontrollieren ließen.

Geostrategie und Herrschaftssicherung

Und so war der Auftrag, den Vitus Bering zu erfüllen hatte, recht komplex. Der reichte von einer Bestandsaufnahme der Kosakensiedlungen, der indigenen Völker, der natürlichen Ressourcen und nicht zuletzt der kartografischen Dokumentation der Region einschließlich der Klärung der Frage, ob es eine Verbindung zwischen Sibirien und Amerika gibt. Keine Frage, dass die Ergebnisse der Expeditionen und damit auch die Originalberichte von – wie man es heute formulieren würde – höchster nationaler Bedeutung waren. Doch auch für die europäische Wissenschaft und die geopolitischen Interessen der anderen europäischen Mächte waren Kenntnisse über die Region zwischen Europa, Amerika und Asien von größtem Interesse. Und so erweisen sich nicht nur die Reisen des dänischen Marineoffiziers als Abenteuer, sondern auch die der auf den Expeditionen gesammelten Informationen und Originalberichte.

Von „unbemüsten“ Ländern und „erwürgeten Zwillingen“

Gerd von den Heuvel erzählt in seinem Buch von den verborgenen Wegen, die die Expeditionsunterlagen offensichtlich auch an den Archiven der ZarInnen vorbei genommen haben, was es mit den unterschiedlichen publizierten Versionen von Texten und Karten auf sich hat, erläutert die historischen Hintergründe und den Verlauf der ersten Reise und präsentiert schließlich die Faksimiles und Transkriptionen des wiederentdeckten Originals des von Bering verfassten deutschsprachigen Reiseberichtes sowie in gleicher Form die „Kurtze Geografische Beschreibung des Königreichs Sibirien (1742/43) eines nicht zuverlässig bestimmten Autors. Für den Leser können diese Originalquellen in mehrfacher Hinsicht interessant sein. Zum einen natürlich als historische Dokumente, zum anderen als interessante sprachliche Studienobjekte, die sowohl vom Duktus als auch von der Wortwahl eine vergangene Zeit erschließen. Glücklicherweise gibt es an der einen oder anderen Stelle Hinweise hinsichtlich der Bedeutung des Geschriebenen, das sich beispielsweise folgendermaßen liest: „…das Land stehet auch unbemüst, braken es durch Leuthe und haben kein Vieh; alle obbemeldete Nationes stehen unter Rußischer Bothmäßigkeit […] wenn ein Weib Zwillinge gebühret, oder ein Vieh solche setzet, so wird eines davon erwürget, so bald es nur zur Welt gekommen, und halten es vor große Sünde wenn dieses nicht geschiehet.“

Gerd van den Heuvel (Hg.): Captain Behring`s Journal. Unbekannte Dokumente zu Vitus Berings Kamtschatka-Expeditionen. Veröffentlichungen des Niedersächsischen Landesarchivs 6). Wallstein 2022. Geb. mit Schutzumschlag, 141 Seiten.


Gesamtbewertung: 4/5
Cover: 4/5
Handlung: 4/5

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Klappentext

»Captain Behring’s Journal«.

von Gerd van den Heuvel
Cover: »Captain Behring’s Journal«. Sibirien und Amerika – Vom Meer getrennt oder durch Land verbunden? Unbekannte deutschsprachige Dokumente zu den Kamtschatka-Expeditionen von Vitus Bering.

Die noch von Zar Peter angeordnete Kamtschatka-Expedition (1725-1730) unter Leitung des dänischen Kapitäns Vitus Bering sollte die Frage beantworten, ob zwischen Sibirien und Amerika eine Landverbindung bestand und zugleich den äußersten Osten Russlands weiter erschließen und kartographieren. Der von Bering verfasste Expeditionsbericht stieß in Russland weniger auf Interesse, umso mehr aber in Westeuropa, wo schon bald französische und englische Übersetzungen erschienen. Ihre Textvorlagen jedoch blieben bisher im Dunkeln.
Die vorliegende Edition präsentiert die ursprüngliche, deutschsprachige Version des Berichts, die im Niedersächsischen Landesarchiv in Hannover überliefert wurde und die zugleich die umfangreichste Version des Expeditionsberichtes darstellt. Ergänzt wird dieser Report durch eine reich illustrierte Karte des Expeditionsverlaufs aus dem Bestand der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek. Zusammen mit der ebenfalls edierten »Kurtzen Geographischen Beschreibung des Königreichs Siberien«, einem Dokument, das als geheim eingestuft wurde und am Ende der Zweiten Kamtschatka-Expedition (1733-1743) entstand, erschließt die Edition damit erstmals zwei bisher unbekannte Quellen zu Berings Kamtschatka-Reisen.
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Veröffentlichungen des Niedersächsichen Landesarchivs


Dieses Buch gehört zu der Reihe »Veröffentlichungen des Niedersächsichen Landesarchivs« und umfasst derzeit etwa zwei Bände.

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