Wolfgang Schwerdt

Leseprobe zur Rotbartsaga Bd 2: Schiffbruch vor Sumatra

07.06.2024 - 09:51 Uhr
Cover: Rotbartsaga

Aus Teil 3 Abenteuer in Batavia und Rückreise

„Na Shary, hast du gut auf unser Revier aufgepasst?“
Bontetijger stiefelte mit Argelos im Schlepptau selbstbewusst auf die Streunerkatze zu, deren Kratz- und Duftmarkierungen überall im weitläufigen Garten des Anwesens erkennbar waren.
Carlszoon beobachtete die Szene amüsiert. Er hatte es sich auf der Veranda gemütlich gemacht und wartete auf Tasman, der dem Gouverneur auf der Festung Bericht über ihre Reise erstattete. Baronesse hatte sich zu ihm gesellt und zeigte wenig Interesse an den Katzenangelegenheiten. Carlszoon war gespannt, wie sich die Situation entwickeln würde. Shary hatte schon vor der Abreise der drei Tasmankatzen immer wieder versucht, ihnen ihr Revier abspenstig zu machen. Nicht zuletzt wohl, um von der Bereitschaft der zweibeinigen Anwohner zu profitieren, ihre Katzentiere mit gelegentlichen Streicheleinheiten zu verwöhnen. Jedesmal hatte es heftige Auseinandersetzungen gegeben, bei denen Shary am Ende gegen die Revierinhaber zwar immer den Kürzeren gezogen, sich aber nie hatte entmutigen lassen.
Nun war die Situation eine ganz andere. Shary konnte mit Fug und Recht das zwischenzeitlich verwaiste Revier als ihr Eigen betrachten, hatte sie es doch unmissverständlich markiert und gegen die anderen Streuner des Quartiers erfolgreich verteidigt. Nun waren Bontetijger, Argeloos, Bigbont und ihre Gäste die Eindringlinge und Shary hatte einen deutlichen Heimvorteil.
„Klar, ist ja jetzt meins, ihr wollt es doch nicht etwa wiederhaben?“
„Wiederhaben? Wieso wiederhaben?“ Bontetijger fauchte ungehalten und Argeloos machte sich brummend bereit, ihrer Schwester falls notwendig beizuspringen.
„Brauchst Du Hilfe, Shary?“ Auf dem Mauersims streckte sich eine kräftige Tigerkatze und nahe bei ihr saß, halb unter einem Strauch versteckt, ein imposanter schwarzer Kater.
„Ihr mischt euch besser nicht ein, wenn ihr es nicht mit Rotbart und Großtatze zu tun bekommen wollt“, maunzte Bigbont die Beiden entschlossen an.
„Wer ist denn Rotbart“, knurrte Salem der schwarze Kater unbeeindruckt und brachte Bigbont damit augenblicklich zum Schweigen. Völlig unvorstellbar für den Kleinen, dass es Feline geben könnte, die noch nichts von seinem Idol gehört hatten und bei Nennung des Namens nicht wenigstens in Ehrfurcht erstarren würden. Bigbont sah sich verunsichert um. Sein Held hatte es sich im Schatten eines Pfefferstrauches gemütlich gemacht und maunzte: “Lass gut sein, Jungspund, für eine Prügelei ist nicht die richtige Tageszeit, viel zu heiß und außerdem lohnt es den Anlass nicht.“
„Gut gesprochen, Roter, wir sehen uns irgendwann.“ Seite an Seite mit der schönen grauweißen Streunerin Gypsy schlenderte Großtatze, jeden Schatten ausnutzend, durch den Garten, um im hinteren Teil über den Mauersims zu springen, die Brücke über die Kaaiman-Gracht zu überqueren und mit seiner Freundin in der Grünanlage am Stadtwall zu verschwinden.
Bontetijger war verunsichert, weil keiner der Crew bereit zu sein schien, ihr bei der Verteidigung ihres Reviers zur Seite zu stehen.
„Das Revier gehört jetzt Shary, es sei denn, ihr wollt euer Schiffskatzendasein wieder aufgeben. So sind nun mal die Regeln. Schiffskatzen haben keine Reviere, weder an Land noch an Bord!“
Rotbart hatte sich nun doch erbarmt und sich zwischen die Streithähne gesetzt. „Ich bin sicher Shary wird euch immer Gastrecht gewähren, wenn es euch von großer Fahrt wieder einmal hierher verschlägt. Ach ja, und wenn ihr euch abreagieren wollt, dann können wir gerne mal einen Zug durch die Quartiere machen und uns mit den Streunerbanden prügeln, gehört sowieso zu jedem ordentlichen Landgang.“ Mit einem Blick zur Tigerin Cleopatra und dem schwarzen Salem auf dem Mauersims fügte er hinzu: “Aber natürlich erst Nachts, wenn es nicht gar so heiß ist.“
„Na Kleiner“, maunzte Salem belustigt zu Bigbont, „vielleicht sollte Katz sich den Namen Rotbart ja tatsächlich merken.“
Bigbont suchte sich ein ruhiges Plätzchen im Schatten eines Pfefferstrauches. Der Konflikt war auf unerwartete Weise gelöst und Bigbont hatte begriffen, dass das Schiffskaterdasein wohl mehr bedeutete, als einfach nur Abenteuer mit Kumpels. Und als Rotbart an ihm vorbeischlenderte, fragte der Kleine: „Gibt es noch mehr Regeln?“
Fröhlich gurrend antwortete Rotbart: „Klar doch: nicht ins Beet auf der Poop kacken.“
Kaum war Rotbart im Schatten der Veranda verschwunden, raschelte es unter dem Pfefferstrauch als der kleine Kater Blacky vorsichtig auf Bigbont zurobbte und verunsichert maunzte: „Wenn du jetzt ein berühmter Schiffskater bist und kein Revier mehr hast, können wir dann trotzdem noch Freunde sein?“
Bigbont überlegte nicht lang. Er hatte zwar keine Ahnung, ob das gegen irgendwelche Regeln verstoßen würde, konnte es sich aber auch nicht vorstellen. Außerdem dachte er nicht im Traum daran, ihre Freundschaft in Frage zu stellen. Und so hingen sie gemeinsam in der relativen Kühle der frühen Morgenstunden auf dem Dach eines Hauses der Tygers- Gracht ab, um die erwartete Prügelei zwischen den Schiffskatzen und der Streunerbande des Kaaiman-Quartiers zu beobachten.
Es war die Zeit, als sich die Zweibeiner gerade zur Ruhe begeben hatten und die Straße weitgehend frei von ihnen war. Stolz und selbstbewusst marschierten Rotbart, die beiden Katzendamen Tasmans, Grotebroer, Kleinebroer, Newton und Großtatze über die breite Promenade an der Gracht. Von der anderen Seite näherten sich Shary, Cleopatra, Gypsy und Salem mit einer Handvoll weiterer Kaaiman-Streuner. Das Kläffen der Hunde hinter den Häusertüren störte sie nicht im Geringsten und die Streunerhunde hatten sich sicherheitshalber aus dem Staub gemacht. Die wussten aus leidvoller Erfahrung, dass die Samtpfoten in dieser Stimmung, wenn sich ihnen die Gelegenheit bot, lieber gemeinsam über allzu vorwitzige Hunde herfallen würden, statt sich untereinander zu prügeln.
Wenige Schritte voneinander entfernt setzten sich die Katzen-gruppen und begannen, wie es Brauch war, sich erst einmal lautstark gegenseitig anzupöbeln. Die beiden Beobachter auf dem Dach konnten weitere Schatten erkennen, die zwischen den Häusern und auf Simsen umherhuschten, bereit in das Geschehen ein-zugreifen.
„Ihr seid doch viel weniger, hast du keine Angst um deine Kumpels?“
Bigbont maunzte im Brustton der Überzeugung: „Mit Rotbart sind die unschlagbar, er ist immerhin mit seinem Freund Raja-Kucing durch den Dschungel gestreift. Und die anderen sind auch nicht ohne. Ich könnte dir Geschichten erzählen . . .“
Bevor Bigbont weiter schwärmen konnte, waren die Gruppen aufeinander losgegangen. Es gab ein wildes Gekreische, wenn sich zwei Katzentiere ineinander verkrallten und wild mit Zähnen und Klauen beharkten oder wenn sie einander jagend über Mauern und Dächer tobten. Als dann noch Mitglieder der Streuner-bande von der anderen Seite der Tygers-Gracht in das Geschehen eingriffen, wurde die ganze Geschichte sehr unübersichtlich. Da entwickelten sich unerwartete Bündnisse zwischen Schiffsfelinen und Kaaiman-Katzen oder Kaaiman-Streunern und Tygers-Banditen.
Es war eine prächtige Prügelei bei der es keine Gewinner oder Verlierer gab und die mit dem üblichen Höhepunkt endete; dem lautstarken Schimpfen der des Schlafs beraubten Zweibeiner, die mit wildem Klatschen oder gar Schüssen versuchten, die Katzen zu vertreiben. Irgendwann saßen alle Samtpfoten gemeinsam bei Blacky und Bigbont auf dem Dach, von wo aus sich das Gewimmel der aufgeregten Zweibeiner wunderbar betrachten ließ, während man sich die Wunden leckte, gegenseitig Anerkennung zollte oder Revanche einforderte.
„Du hattest recht, Bigbont, dein Rotbart ist schon ein harter Knochen“, maunzte Salem und putzte sich mit der Pfote das Blut vom Ohr.
„Allerdings“, bestätigte die wilde Cleopatra, „aber die anderen möchte ich auch nicht zu richtigen Feinden haben.“
„Ich kann euch ja noch auf eine kleine Plauderei in unser Revier einladen, dann erzähle ich euch von den unglaublichen Abenteuern, die ich und meine Mannschaft bestanden haben“, bot Bigbont in einem Anflug von Größenwahn an und kassierte dafür einen kräftigen Hieb von Shary. „Euer Revier? Ihr seid meine Gäste, kleines Großmaul, schon vergessen? Wenn hier jemand einlädt, dann ich. Also, wer Großmauls Geschichten hören möchte . . ..“


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5

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Klappentext

Rotbartsaga

von Wolfgang Schwerdt
Cover: Rotbartsaga Am 26. November 1653 setzt der kleine, rote Kater erstmals seine Pfoten auf die Planken eines großen Schiffes und tritt damit seine erste Reise als Schiffskater an. Dabei lernt er nicht nur die Tücken und Gefahren des Bordlebens kennen, sondern trifft auch auf die Klabautermiez und den Fliegenden Holländer, der letztendlich das Schicksal des Schiffes besiegelt. Nach dem Schiffbruch vor Sumatra schlägt sich Rotbart mit anderen Mitgliedern der befellten seefahrenden Zunft durch den Dschungel der riesigen Insel und begegnet dabei nicht nur seinen wilden Artgenossen.
Lebensgefährliche Abenteuer, wilde Streiche, opulente Gelage und natürlich die obligatorischen Besuche in den Katzenspelunken prägen das Leben des Katers, der bereits im Laufe seiner ersten Reise zu einem der legendären Schiffsfelinen wird, deren Heldentaten in den Katzentavernen der Welt die Runde machten.
Reihe
4.8 34

Rotbartsaga


Dieses Buch gehört zu der Reihe »Rotbartsaga« und umfasst derzeit etwa vier Bände.

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