Wolfgang Schwerdt

Schiffskater Pixie, Mit James Cook um die Welt, Leseprobe und mehr

07.06.2024 - 09:05 Uhr
Cover: Schiffskater Pixie mit James Cook um die Welt

Tagebuchauszug vom 16. September 1768 Sir John Montacat, der Chefkater des Postschiffs HMS Rose, ist vorgestern mit meinem Brief an Onkel Catpickle abgesegelt. Ziemlich regnerisch hier, aber angenehm warm! Ich habe mich auf die Reling des Achterdecks gelegt.

Wie Wasserkäfer krabbeln Boote zwischen der Insel und unserem Schiff hin und her. Sie bringen die großen Wasserfässer aus dem Bauch des Schiffes an Land und noch größere Fässer vom Land zur Endeavour, wo sie in ihrem offenen Maul verschwinden. Matrosen hämmern, klopfen und pinseln am Schiff herum, John ist nicht dabei. Der steht auf dem Deck und schaut an der Bordwand hinunter, wo das kleine Boot der Endeavor liegt. Dann blickt er auffordernd zu mir herüber und ich spurte los. Mein erster Landgang auf dieser Reise!

John klettert bereits nach unten. Ich springe mit einem beherzten Satz vom Schanzkleid und lande elegant auf Johns Schulter. Der verliert prompt das Gleichgewicht und plumpst unbeholfen ins Boot, wo er von Young Nick und den anderen Matrosen aufgefangen wird. Na ja, mein Zweibeiner ist eben doch nur ein Mensch, denen mangelt es grundsätzlich an einem gewissen Reaktionsvermögen und Geschmeidigkeit. Muss wohl das nächste Mal daran denken! Jetzt ist aber Entdecken angesagt.

Susy und Sir Booby sind an Bord geblieben; die kennen diesen Ort schon und halten ihn für ziemlich langweilig. Die Zweibeiner sind gleich in die Stadt gegangen, ohne auf mich zu warten. Dabei ist es vor dem Betreten eines unbekannten Reviers doch wichtig, sich erst einmal hinzusetzen und zu beobachten. Nun gut, dann muss ich bei meinem Erkundungszug eben auf niemanden Rücksicht nehmen.




Leseprobe aus Abschnitt 3: Die Reise zum Äquator

10. Oktober 1768 Banks ist wieder mal mit dem Boot draußen! In den letzten Tagen kam er immer mit irgendwelchen Muscheln, Schnecken und anderem ungenießbarem Spielzeug zurück. Einiges klaubte er sogar vom Bug des Schiffes ab. Große Aufregung gab es immer, wenn ein Hai gesichtet wurde, er muss den Wissenschaftlern wohl geschmeckt haben. Bis heute haben die aber keinen mehr fangen können. Das Wetter ist ziemlich wechselhaft: Mal weht gar kein Wind und das Schiff schläft, mal füllen sich die Segel und die Endeavour folgt wieder ihrem Bugspriet. Immer wieder regnet es, fahren kräftige Windböen in die Segel und lassen das Schiff herumtorkeln, knarren und ächzen. Sogar Blitz und Donner treiben in düsteren Wolken über den Ozean.

Wir Katzen lassen uns von Regen und Gewitter nicht mehr beeindrucken. Bei der Hitze lohnt es sich nicht, den gemütlichen Döseplatz wegen ein bisschen Wasser im Pelz zu verlassen. Meist geht der Regenschwall sowieso schnell vorüber und das Fell trocknet, ohne dass wir es ablecken müssen, innerhalb kurzer Zeit.

Längst habe ich die Lust verloren, Mr. Wichtig bei seinen Bootsausflügen zu begleiten. Beim Sortieren der Krabbel- und Schalentiere darf ich ihm sowieso nicht helfen. Einmal hat er mich sogar aus dem Boot geworfen, weil ihm wohl irgendetwas an meiner Arbeit nicht passte. Er hat dann so getan, als ob es ihm Leid täte und mich ganz schnell wieder aus dem Wasser gezogen. Aber ich habe mich entschlossen, ihm nicht zu glauben und werde ihn erst mal mit Missachtung strafen. Deshalb liege ich nun hier auf dem Katzenschwanz und schaue lustlos zu, wie er sich hin und her rudern lässt und alles einsammelt, was in seinem Netz landet.

Banks sieht den kräftigen Regenschauer nicht kommen, der wie ein wildes Tier über das Wasser fegt und als er da ist, ist es zu spät. Es ist ein herrlicher Anblick, wie der große Naturforscher in patschnassem Fell in seinem Boot sitzt, das vollzulaufen droht und mühsam zum Schiff zurückkrabbelt. Wenn er an Bord klettert, könnte ich ja so tun, als ob es mir Leid täte, aber ihr wisst ja, Katzen können nicht lügen.

16. Oktober 1768 Heute weht den ganzen Tag ein leichter aber stetiger Wind! Banks kann heute also nicht mit dem Boot hinaus, denn die Endeavour würde ihm einfach davonsegeln. Der Herr Naturforscher ist stinkig. Als es dunkel ist, erhellt ein blasser, schmaler Bogen den Horizont. Mr. Wichtig steht mit seinen Kollegen auf dem Quarterdeck und zeigt sich begeistert, denn einen Mondregenbogen hat er noch nie gesehen. Ich übrigens auch nicht, aber meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Es gibt Erfreulicheres – die Zwiebeln sind endlich aufgebraucht.

18. Oktober 1768 Die Zeit der Flauten scheint erst einmal vorbei zu sein: Die Endeavour zieht zielstrebig ihre Bahn und Banks muss wohl für längere Zeit auf seine Bootsausflüge verzichten. Meine Laune bessert sich, denn trotz der Hitze machen Wind und die spärlichen Schatten der Segel das Leben an Bord halbwegs erträglich. Ich suche jetzt wieder öfters die Gesellschaft von John, Susy und Sir Booby, für großartige Jagdausflüge in die Laderäume oder freundschaftliche Raufereien ist es allerdings viel zu warm. Susy, Sir Booby und ich hängen gemeinsam ab und John bemüht sich, während seiner Freiwachen ausreichend Seefisch für mich zu beschaffen. Natürlich landen die meisten Fänge der Matrosen beim Smutje, so dass auch Sir Booby „Jagderfolge“ verzeichnen kann.

Ab und zu unternehme ich meine Kontrollgänge durch das Schiff. Das muss sein, Hitze hin, Schwüle her. Schließlich hat man als Schiffskater ja so seine Pflichten und Susy und Sir Booby machen das natürlich auch. Jeder von uns hat dabei so sein Revier. Susy patrouilliert überwiegend in den unteren Decks, Sir Booby durchstreift den Bereich zwischen den Kombüsen unter der Back und im Heck bei den Halbwichtigen. Mein Arbeitsbereich ist das Achterdeck, ich bin eben ein naturwissenschaftlich interessierter Kater.

Am Abend vor Banks' Kabine plaudere ich ein wenig mit seinen Hunden, die völlig platt von der Hitze auf dem Boden liegen. Aus der Kammer tönt ein Ächzen und Stöhnen: Zweifellos ist der Naturwissenschaftler bei schweißtreibender Arbeit, wie ich riechen kann. „Der turnt da drin an Seilen herum“, wufft der eine, „will sich fit halten“, hechelt der andere.

Das muss ich sehen! Ich schleiche durch den Türspalt und kann gerade noch beiseite springen, als Banks mit einem lauten Krachen zu Boden stürzt und dabei mit dem Kopf aufschlägt. Der Naturwissenschaftler hat Glück, außer mir hat das keiner gesehen, es sah alles andere als elegant aus. Gut, dass er nicht erkennen kann, wenn sich Katzen halbtot lachen. Das hätte seinem Selbstbewusstsein sicherlich einen gehörigen Knacks verpasst. Aber auch so ist er wohl genug gestraft, denn einige Zeit später muss er sich, ganz grün im Gesicht, in seine Koje legen.

21. Oktober 1768 Heute ist der kleine Vogel verschwunden, an den im Salon immer die gefangenen Fliegen verfüttert wurden. Die Tür des Käfigs stand offen! Wie könnte es anders sein, wird laut Banks' Eintrag in sein Reisetagebuch „die Katze“ des Vogelmordes bezichtigt. Ich weiß ja nicht, wie er darauf kommt, die Indizien reichen allenfalls für einen vagen Anfangsverdacht. Und wer von uns mit „die Katze“ gemeint sein könnte, geht aus seinem Bericht auch nicht hervor, deshalb werde ich mich dazu nicht weiter äußern.

22. Oktober 1768 Keine besonderen Vorkommnisse! Am Abend sichten wir ein paar richtig große Fische. Grampus nennen sie die Matrosen, aber Banks, der sich längst wieder von seinem Sportunfall erholt hat, hält sie für eine andere Walart.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 5/5
Handlung: 5/5
Blogger: Wolfgang Schwerdt

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Klappentext

Schiffskater Pixie mit James Cook um die Welt

Historische-Romane von Wolfgang Schwerdt
Cover: Schiffskater Pixie mit James Cook um die Welt Mit James Cook 1768/69 auf der HMB Endeavour unterwegs in die Südsee, erlebt der kleine Pixie Catpickle seine ersten "großen" Schiffskaterabenteuer. Auf Madeira legt er sich mit den berüchtigten Katzengangs von Funchal an, bei der Äquatortaufe entgeht er knapp dem "Ertränkt werden" und in Rio schlägt er sich mit den Schergen des portugiesischen Vizekönigs herum. Natürlich muss sich Pixie auch noch um seine Menschen kümmern, beispielsweise wenn sie drohen, auf einer Expedition in Feuerland zu erfrieren. In "von Madeira nach Otaheite". dem zweiten Teil seines Tagebuchs, lässt die abenteuerlustige Schiffssamtpfote den Leser natürlich auch an ihren ersten wissenschaftlichen Experimenten und deren Erkenntnisse teilhaben und nicht zuletzt berichtet der Kater auch darüber, wie er seinen Freund John in letzter Sekunde vor der "Neunschwänzigen Katze" gerettet hat. Mit den wunderbaren Illustrationen des Schiffskatzenmalers Jonathan Petry ist die Lektüre - wie schon die des ersten Bandes - ein spezielles, unterhaltsames und farbenprächtiges Erlebnis.
Reihe
1.7 10

Schiffskater Pixie. Mit James Cook um die Welt


Dieses Buch gehört zu der Reihe
»Schiffskater Pixie. Mit James Cook um die Welt« und umfasst derzeit etwa drei Bände.

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