Die Weisheit der Füchse
Schlau, verspielt und fürsorglich – was wir von den gewitzten Überlebenskünstlern lernen können, so lautet der Untertitel des Buches der Autoren Dag Frommhold und Daniel Peller. Mit diesem Titel stapeln die ausgewiesenen Fuchsexperten zweifellos tief. Denn erfreulicherweise geht es in diesem Buch tatsächlich in erster Linie um den Fuchs, seine Eigenschaften, seine Individualität, Intelligenz, natürlich die Biologie, Sozialverhalten, Kultur und nicht zuletzt seine Kulturgeschichte. Die gelegentlich zwangsläufig etwas konstruiert wirkenden (weil einfach nicht übertragbaren) aber in diesen Ludwig-Büchern offensichtlich obligatorischen „Lehrweisheiten“ fallen glücklicherweise kaum auf und lassen sich problemlos in Kauf nehmen, denn die Lektüre des Buches macht einfach Spaß und ist einfach spannend.
Über unsere schönen, schlauen und wilden Nachbarn
Es ist beileibe nicht das erste Buch über die eleganten und schönen Canidae und doch ist es wichtig, wie Dr. Sophia Kimming, in ihrem Vorwort zur „Weisheit der Füchse“ formuliert. Sophia Kimming, die mit „von Füchsen und Menschen“ selbst ein Fuchsbuch verfasst hat, begründet dies mit der Tatsache, dass in Deutschland nach wie vor Hunderttausende von Füchsen grundlos getötet werden und wir nach wie vor viel zu wenig von unseren Mitgeschöpfen und eben auch über „unsere schönen, schlauen, wilden Nachbarn“ wissen. Und das „können wir nur ändern, indem wir unseren Horizont erweitern“ und einen „neuen Blick auf die Welt und unsere eigene Rolle in ihr“ werfen. Genau dafür ist das vorliegende Buch hervorragend geeignet. Denn Dag Frommhold führt den/die LeserIn im Kapitel „Faszinosum Fuchs“ in die Kulturgeschichte des Fuchses ein, der seit Jahrtausenden, wenn nicht seit Jahrzehntausenden die Nähe des Menschen gesucht hat und dennoch immer wild geblieben ist.
Ein hartnäckiger Kulturfolger der (immer noch) geheimnisvollen Art
Frommhold startet die kulturgeschichtliche Reise vor rund zehntausend Jahren in einer steinzeitlichen Tempelanlage, die unter Archäologen seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts als Sensation gilt. Denn Göbekli Tepe stellt nicht nur eine menschheitsgeschichtliche Sensation dar, sondern die hier verewigten Reliefs belegen zudem die kultisch mythologische Bedeutung des Fuchses bei den damaligen Menschen. Und diese Bedeutung, diese erstaunlich innige Mensch-Fuchs-Beziehung lässt sich in verschiedenen kulturellen Ausformungen sowohl in positiver als auch negativer Hinsicht bis in die heutige Zeit nachverfolgen. Sicherlich könnte man allein zu diesem Aspekt ein eigenes Buch verfassen, dennoch gelingt es dem Autor, die Kulturgeschichte des Fuchses sowohl fundiert als auch kurzweilig abzuhandeln und damit einen Einstieg in viele Fragen, die uns heute beschäftigen, zu begründen. Beispielsweise die Frage der Intelligenz.
Wer Krähen überlistet, kann nicht dumm sein
Den Einstieg in die Frage, was überhaupt Intelligenz ist, wie sie sich messen und bewerten lässt bildet ein persönliches Erlebnis mit einem Fuchs, der seiner Beute im Garten des Autors eine ungewöhnliche Falle stellt. Über dieses Ereignis entwickelt der Autor seine Ausführungen zu wissenschaftlichen Experimenten, Definitionsversuchen und natürlich entsprechenden Ergebnissen. Zwischendurch immer wieder kleine Episoden zu Fuchserlebnissen, mit denen geschickt auf weitere Aspekte der Fragestellung übergeleitet wird. Dieses Konzept zieht sich durch das ganze Buch und bringt den LeserInnen die Familie Reinecke auch emotional sehr nahe. Eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielen allerdings auch die ungemein ausdrucksstarken Bilder.
Zusammenleben statt „Management“
Natürlich kommt auch die Biologie und das erstaunliche Sozialleben der Füchse nicht zu kurz, allein schon, um dem in der Gesellschaft weitverbreiteten Jägerlatein über die angebliche „Regulierungsbedürftigkeit“ der Füchse (und auch anderer Arten) etwas entgegenzusetzen. Mit nachprüfbaren Argumenten und auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse weisen die Autoren nach, dass die Fuchsjagd schlichtweg Lobbyinteressen dient und behauptete Probleme eher verschärft. Auch hier werden geschickt persönliche Erlebnisse eingeflochten, um das vermeintlich edle Waidhandwerk als das, was es tatsächlich ist, zu entlarven. Natürlich sind die Verfasser als Mitglieder des internationalen Fuchshilfenetztes Partei, dafür aber auch wissenschaftlich wesentlich kompetenter und überprüfbarer als die millionenschweren Jagdverbände.
Der Fuchs: Die Katze unter den Hunden
Nach der Lektüre des Buches bei der man den Fuchs als liebenswertes, verspieltes und hochintelligentes soziales Wesen mit interessanten Konfliktvermeidungs- und Aggressionshemmungsstrategien und erstaunlichen Sinnesleistungen und kognitiven Fähigkeiten kennenlernen durfte, hat der/die LeserIn tatsächlich das Gefühl, den Horizont erweitert und zumindest die Chance bekommen zu haben, einen „neuen Blick auf die Welt und unsere eigene Rolle in ihr“ zu werfen.
Dag Frommhold, Daniel Peller: Die Weisheit der Füchse. Ludwig 2022. Gebunden mit Schutzumschlag, 400 Seiten.
Wolfgang Schwerdt
Blogger bei LeseHitsBücher zu Kulturgeschichte, Seefahrt, Mensch-Tier-Studien und me(h)er.
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Die Weisheit der Füchse
Ausstattung: Fotos im Text plus Bildteil