Wolfgang Schwerdt

Geschichte Japans

09.06.2024 - 08:33 Uhr
Cover: Geschichte Japans

Wann immer man sich mit der Geschichte Japans beschäftigt, man entdeckt immer wieder neue Facetten in der Geschichte des Inselreiches mit der einzigartigen Kultur. Die Forschung zur Geschichte Japans scheint nie enden zu wollen, kein Wunder, denn nicht nur die Quellenlage ist komplex, auch die ideologischen Konzepte die das kulturelle Selbstverständnis des Inselvolkes prägten und die offizielle Geschichtsschreibung beeinflussten, waren einem ständigen Wandel unterzogen. Mit der von Historiker Wolfgang Schwentker nun im C.H.Beck-Verlag erschienenen Geschichte Japans von der Frühgeschichte bis in die heutige Zeit liegt nun ein umfassendes und detailliertes Werk vor, das den aktuellsten Forschungsstand berücksichtigt.

Die Besonderheiten der japanischen Geschichte

Zu den wohl faszinierendsten Aspekten der japanischen Geschichte gehören ihre kulturellen Mythen. Damit ist nicht nur die vermeintlich seit frühesten Zeiten ununterbrochene kaiserliche Linie göttlichen Ursprungs gemeint, wie sie durch die historischen Chronologien Kojiki und Nihon shoki aus den Jahren 712 bzw. 720 suggeriert wird. Auch die Vorstellung des japanischen Volkes als eine einheitliche Ethnie, die sich aufgrund der insularen Isolation zu einer einzigartigen Kultur entwickelt habe gehört zu den weitverbreiteten Mythen, die erst 1913 im Rahmen eines Buches von Tsuda Sokichi mit dem Titel „Neue Forschungen zur Geschichte des Zeitalters der Götter“ in Frage gestellt und seitdem in unterschiedlichen politischen-gesellschaftlichen Zusammenhängen neu diskutiert und untersucht wurden. 1939 verfasste Tsuda einen weiteren Aufsatz mit dem Thema „Die Besonderheiten der japanischen Geschichte“, in dem er wie Wolfgang Schwentker konstatiert, „jene Grundfragen angeschnitten hat, die über die Epochen hinweg helfen, die Entwicklung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Japan zu strukturieren.“

Wie schreibt man Geschichte?

Tatsächlich ist das Verfassen einer Geschichte Japans keine einfache Sache – schon allein wegen der historisch-kulturellen Einflüsse auf die verfügbaren Quellen und der noch längst nicht ausgeschöpften archäologischen Möglichkeiten. Doch Geschichte und in besonderem Maße auch die japanische ist nicht so einfach als chronologische Darstellung staatlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ereignisse abzuarbeiten. Da gibt es Brüche und Kontinuitäten, selektive Adaptionen fremdkultureller Einflussfaktoren und kulturelle Eigenentwicklungen, Migrationsprozesse, Selbstbeschäftigung und expansive Ambitionen. Und „selbstverständlich“ prägen auch Kriege, Herrschaftssysteme und Dynastien mit ihrer jeweils eigenen internen und externen Dynamik die Geschichte Japans, die auch auf mehr als tausend engbedruckten Seiten eben nicht einfach so nach Jahreszahlen oder klassischen Epochen gegliedert, heruntergeschrieben werden kann, sondern schon einer besonderen Struktur bedarf.

Der Mythos von Selbstisolation und Öffnung

Japanische und ausländische Japanhistoriker verfolgen dabei durchaus unterschiedliche Konzepte, legen verschiedene Schwerpunkte und in neuerer Zeit bemühen sich die europäischen Forscher bei der Konzeption ihrer Gesamtdarstellungen um neue Ansatzpunkte, die jeweils Vor- und Nachteile bei der Epocheneinteilung nach sich ziehen. Wolfgang Schwentkers Zugang zur Geschichte Japans betont das Spannungsverhältnis von “Außen“ und „Innen“. Damit rückt er die geschichtlichen Ereignisse, die kulturellen Entwicklungen aber auch die Besonderheiten Japans in den Kontext der asiatischen bzw. Weltgeschichte. Denn unabhängig von den Phasen der Selbstisolation oder der Öffnung blieb die Entwicklung Japans nie von der Außenwelt unbeeinflusst. Die Frage, was Schwentkers Ansatz im Vergleich zu den anderen Gesamtdarstellungen der japanischen Geschichte bedeutet, mögen die professionellen Historiker unter sich diskutieren. Für den Leser dieses Buches hingegen stellt schon allein die vom Autor recht detailliert dargestellte Geschichte der Geschichtsschreibung und Gliederungsproblematik einen faszinierenden Einstieg in die Lektüre dar.

Wertvolles Nachschlagewerk

Schwentkers Geschichte Japans liefert eine wunderbare Grundlage für die Beschäftigung mit der außergewöhnlichen asiatischen Kultur, über die hierzulande selbst japanaffine Menschen kaum mehr wissen als das, was über die eindrucksvollen Filme eines Akira Kurosawa oder James Clavells Roman Shogun vermittelt wird. Natürlich gibt es auch zahlreiche Literatur über einzelne Epochen oder Aspekte der japanischen Kultur und selbstverständlich sind auch die imperiale Vergangenheit des letzten und vorletzten Jahrhunderts, das japanische Wirtschaftswunder oder auch der Manga-Hype Teil unseres klischeebesetzten historischen und aktuellen Japanbildes. Das Buch ist hervorragend geeignet nicht nur die zahlreichen Klischees und Mythen in den richtigen historischen Zusammenhang zu stellen, sondern auch unseren eurozentrischen Blick auf fremde Kulturen zu relativieren. Nicht zuletzt und vor allem aber stellt es ein wertvolles Nachschlagewerk dar, das eben jenseits aller Klischees einen umfassenden Einblick in die historische, politische, ökonomische, ideengeschichtliche und gesellschaftliche Entwicklung des Landes von der Frühzeit bis heute bietet.

Wolfgang Schwentker: Geschichte Japans. C.H.Beck 2022, Gebunden mit Schutzumschlag, 1050 Seiten.


Gesamtbewertung: 5/5
Cover: 4/5

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Klappentext

Geschichte Japans

von Wolfgang Schwentker
Cover: Geschichte Japans DAS NEUE STANDARDWERK ZUR GESCHICHTE JAPANS

Die geographische Lage am äußersten Rand Ostasiens und der insulare Charakter des Landes bestimmen über die Epochen hinweg Japans Verhältnis zur Außenwelt und seine gesellschaftliche Entwicklung. Dieses Spannungsverhältnis von «Innen» und «Außen» bildet das Leitmotiv der Darstellung Schwentkers: Auf Phasen der Öffnung folgen immer wieder Perioden der Abschließung, während zugleich die politische und die soziale Ordnung davon stark geprägt werden. Anleihen aus fremden Kulturen und der Wille zur kulturellen Selbstbehauptung ringen miteinander und bringen eine ganz eigene Dynamik hervor. Sie ist keineswegs nur ein Phänomen der japanischen Moderne, sondern kennzeichnend für die gesamte Geschichte des Landes.

  • Geschichte und Kultur eines einzigartigen Landes
  • Von der Ur- und Frühzeit bis in die aktuelle Gegenwart
  • Das künftige Standardwerk
  • Von einem der besten Kenner

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