Wolfgang Schwerdt

kulturstrom

Abenteurer der Ferne

18.05.2025 - 13:51 Uhr
Cover: Abenteurer der Ferne

Wer denkt, bei Entdeckungsfahrten der Antike, nicht an die fantastische Reise des Odysseus, die Atlantikreisen der Phönizier oder die ägyptischen Punt-Expeditionen. Und wenn es um die geografischen Kenntnisse und Horizonterweiterungen geht, dann drängen sich dem/der Geschichtsinteressierten natürlich Alexander der Große aber auch die asiatischen Feldzüge und die Expansion der Römer in Richtung Mitteleuropa auf. Natürlich werden all diese Ereignisse im Werk von Raimund Schulz, Professor für Alte Geschichte an der Universität Bielefeld, behandelt. Doch das Buch zeichnet sich vor allem durch seine Konzeption und den behandelten Zeitrahmen, der immerhin rund 2000 Jahre umfasst, aus.

Eine integrierte Entdeckungsgeschichte

In seiner Einleitung formuliert Raimund Schulz den Ansatz seines Werkes folgendermaßen: „Das Buch wagt den Versuch einer integrierten Entdeckungsgeschichte; einer Gesamtdarstellung von Expansion und Fernerkundung im Rahmen der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungen.“ Dieser Versuch scheint mir im Großen und Ganzen gelungen und insofern birgt das Werk auch für Menschen, denen die angesprochenen historischen Ereignisse und antiken Epochen relativ vertraut sind, durchaus Neues. Da geht es beispielsweise um die Methoden der Wissensvermittlung und Wissenscodierung, die Motivation der abenteuerlustigen Seefahrer, Händler und Reisenden und die geografischen, politischen und kulturellen Rahmenbedingungen, mit denen sie jeweils konfrontiert waren. Und ebenfalls spannend, die Quellenkritik, die unterschiedliche Interpretationen zeitgenössischer Erkenntnisse zulässt und darstellt.

Ein dynamisches Geschichtsbild

Die Darstellungen sind nicht immer durchgängig chronologisch, je nach Aspekt gibt es historische Rückgriffe oder auch Vorausschauen, die jedoch nicht verwirren, sondern die Dynamik zwischen Erkenntnis und Spekulation, Expansion und Stillstand und natürlich politischen Konstellationen sowie Wechselwirkungen zwischen Zentren und Peripherien veranschaulichen. Alles in allem eine sehr komplexe Geschichte der Entdeckungen, der praktischen und wissenschaftlichen geografischen Horizonterweiterung und nicht zuletzt der kulturellen Wechselwirkungen zwischen dem Ausgangspunkt der Expansionsgeschichte, dem Mittelmeerraum und den aus dieser Sicht Randgebieten der antiken Welt. Dass diese vermeintlichen Randgebiete selbst eine eigenständige Welterkenntnis- Expansions- und Explorationsgeschichte haben, dokumentiert Raimund Schulz im dritten Kapitel „Korallen und Seide“, China, Rom und die eurasische Welt im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr.

Die Expansion der Alten in die Neue Welt

Mit Ausnahme des amerikanischen Doppelkontinents war die Welterkenntnis, wenn auch nicht im Detail, nun weitgehend komplett und längst war auch klar, dass sie Erde eben keine vom Oceanus umgebene Scheibe war. Wahrscheinlich, so spekuliert der Autor, wäre aufgrund des inzwischen gesammelten geografischen Wissens und der technologischen Fähigkeiten sogar die Entdeckung Amerikas möglich gewesen, doch die politischen Rahmenbedingungen, so der Autor, standen dem entgegen und die hervorragenden Handelsbeziehungen in den asiatischen Raum machten Fahrten über den Atlantik nicht notwendig.

Das letzte Kapitel „Wie die Alte Welt auf die Neue kam“, stellt für mich persönlich einen der (zugegebenermaßen nicht wenigen) inhaltlichen Höhepunkte dar. Denn hier arbeitet der Autor heraus, wie das antike Weltwissen die Vorstellungen und Darstellungen der frühneuzeitlichen europäischen Expansion geprägt und beeinflusst haben.

Spannend, erkenntnisreich und informativ

Auch wenn Raimund Schulz aus seiner Begeisterung für die Leistungen der antiken Kulturen keinen Hehl macht, nie versteigt er sich in haltlose Spekulationen, sondern - und das kennzeichnet sein Buch als wissenschaftliches Werk - zieht klare Trennungslinien zwischen „erwiesen“ und spekulativ.

Der rund 160 Seiten umfassende Anhang mit Zeitleiste, Anmerkungen, selbstverständlich Quellenangaben und Literaturhinweise, Personen-, Länder- und Ortsregister lässt die Lesenden an keiner Stelle des Buches alleine. Insofern erfüllt es nicht nur die wissenschaftlichen Standards, mit seinem gut verständlichen und lebendigen Stil ist es durchaus auch für ein breiteres interessiertes Publikum geeignet. Zu der auf dem Cover abgedruckten FAZ-Bewertung „Raimund Scholz lässt das Werden dieser Welt der Entdeckerlust und Wissbegierde … abrollen wie einen epischen Abenteuerfilm“ würde ich mich allerdings nicht versteifen.


Gesamtbewertung: 4/5
Cover: 4/5
Handlung: 4/5
Blogger: Wolfgang Schwerdt

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Klappentext

Abenteurer der Ferne

Sachbuch von Raimund Schulz
Cover: Abenteurer der Ferne

Die erste Globalgeschichte der Entdeckungen

2000 Jahre Entdeckungsgeschichte: Raimund Schulz nimmt uns mit auf die großen Abenteuerfahrten der antiken Welt und berichtet von Begegnungen mit fremden Kulturen – von Sibirien bis in die Sahara, von Indien bis nach China.

Die Antike war eine Welt des Aufbruchs. Lange vor Kolumbus wagten sich Menschen des Mittelmeerraums in die Sahara und nach Sibirien, befuhren das stürmische Eismeer der Nordsee und erreichten China über Land und Meer. Raimund Schulz folgt ihren Spuren, beschreibt die Begegnung mit fremden Kulturen und fragt danach, wie es kam, dass antike Seefahrer Afrika umrunden und den Atlantik überqueren wollten. Er erzählt die packende Geschichte der kleinen und großen Abenteurer, ihrer Ziele und Hoffnungen. Erst ihre Vor stöße ins Unbekannte setzten die Erkenntnisschübe in Technik, Geographie, Kosmologie und Philosophie in Gang, die zu unserer europäischen Wissenskultur gehören und die Expansion der frühen Neuzeit ermöglichten.

»Raimund Schulz lässt das Werden dieser Welt der Entdeckerlust und Wissbegierde (...) abrollen wie einen epischen Abenteuerfilm.« Michael Sommer

»Raimund Schulz nimmt seine Leser mit auf eine faszinierende Entdeckungsreise zu den Rändern der antiken Welt.« Damals

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