Wolfgang Schwerdt

kulturstrom

Die Spur des Silbers

31.10.2025 - 12:19 Uhr
Cover: Die Spur des Silbers

Mythen und Legenden ranken sich um das Metall, das von der heutigen Anwendung in der Elektronik einmal abgesehen, kaum irgendeinen besonderen technologischen Wert in sich birgt. Und doch ist vor allem Silber seit dem Mittelalter extrem begehrt, denn sein Besitz begründet Reichtum und Macht, die Jagd nach dem Metall verbindet sich mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Der Journalist und Historiker Tillmann Bendikowski hat sich mit dieser Jagd, die – ausgehend von Europa – die ganze Welt verändert hat, in seinem Buch „Die Spur des Silbers“ auseinandergesetzt, eine Spur die sich, wie er in seiner Einführung anschaulich erläutert, bis in den Silberlöffel aus Omas Besteckkasten zieht.

Silber für den Fernhandel

Silber ist unvergänglich, leicht formbar und aufgrund der aufwändigen Förderung repräsentierte es einen hohen Wert, der in kleinen Stücken oder auch in Form von Münzen oder Barren in beliebiger Höhe über weite Distanzen befördert werden konnte. Insofern bot sich seine Nutzung als universelles, globales Tauschmittel (Geld) einerseits und als Wertanlage andererseits an. Doch Silber ist wie jede Ressource auch endlich. Und zum Ende des Mittelalters gingen den Herrscher- und Handelshäusern die Zahlungsmittel aus. Es konnte kaum noch genügend des begehrten Metalls aus den anfangs noch ergiebigen europäischen Silberminen der deutschen Königreiche gewonnen werden, um den ständigen Abfluss in die Kirchenkassen oder den indischen und asiatischen Handelsraum auszugleichen.

Silber als Motor des Aufschwungs

Der Geldbedarf war unermesslich, da mussten Pracht und Prunk von Herrscherhäusern und Kirche finanziert werden, mussten Armeen ausgerüstet und in die Schlachten geschickt werden, oft genug, um sich gegenseitig die zusammengerafften Silberschätze wieder abzujagen. Die Herrschaftsökonomie des Mittelalters bestand im Wesentlichen aus durch Silber finanzierte Raub- und Plünderungszüge oder Lösegelderpressung. Das alles natürlich auf der Basis menschenverachtender Ausbeutung der Untertanen. Doch gleichzeitig belebte das Silber in Form von Münzen auch die Wirtschaft, denn als allgemeines Zahlungsmittel förderte es den europäischen Binnen- und Außenhandel in gewaltigem Ausmaß und in diesem Zusammenhang ebenfalls die massenhafte Gründung von Städten in ganz Europa.

Die unerschöpflichen Ressourcen der Neuen Welt

Mit der Entdeckung Amerikas und seiner gewaltigen Silbervorkommen sollte dieser Prozess so richtig Fahrt aufnehmen und in Form von Globalisierung und „freiem“ Handel schließlich die ganze Welt erfassen. Und so führt und der Autor in die südamerikanischen Silberminen der Spanier, wo Indigene oder europäische Strafgefangene unter unsäglichen Bedingungen das Silber aus den Bergen brechen mussten. Allein diese Ausbeutung von Natur und Menschen generierte weitere Handelsströme, schließlich mussten sowohl die Fördertechnologien in die geraubten Ländereien importiert werden und sowohl die Eroberer als auch die Eroberten mit Nahrung und Waren des täglichen Bedarfs versorgt werden. Auf der Basis des Silbers entstand das gewaltige spanische Weltreich mit seinen legendären Silberflotten, die wiederum Begehrlichkeiten bei den europäischen Rivalen weckten.

Zwischen Kommerz und Magie

Die Entwicklungen, angefangen von der Aufteilung der Welt zwischen Portugal und Spanien, über das Korsaren- und Piratenwesen, die Etablierung des atlantischen Dreieckhandels, die Entstehung der europäischen Kolonialreiche bis hin zur europäischen Plünderung der ganzen Welt sind weitgehend bekannt. Die spezifische Rolle des Silbers oder besser gesagt, der Gier nach dem Silber, stellt dabei eine besondere und durchaus interessante Perspektive dar, zumal Silber über das Ökonomische hinaus auch noch eine spannende andere Seite aufweisen kann. Die Magie des Silbers beschäftigte schon die mittelalterliche Wissenschaft. So stand nicht nur der Versuch, aus unedlen Metallen Gold und eben auch Silber herzustellen im Fokus der Alchemisten, auch die unvermeidliche Hildegard von Bingen hatte das eine oder andere Rezept mit geraspeltem Silber aufzuweisen. Silber, so wusste der Volksglauben war wirksam gegen Hexen, Werwölfe und andere mehr oder weniger alltägliche Bedrohungen. Noch im 18. Jahrhundert wurde Silber – am besten „Erbsilber“ - als Medizin gegen Syphilis, Pest, Nasenbluten, Tollwut oder Herzbeschwerden eingesetzt.

Die blutige Basis unseres Wohlstandes

„Erbsilber“, jedes Familiensilber, zu dem beispielsweise der Anfangs erwähnte Silberlöffel gehören kann, der je nach seiner Geschichte möglicherweise auch über die Raubzüge der Nationalsozialisten bei den jüdischen Deutschen, über Flucht und Vertreibung berichten könnte.

Die Geschichte des Silbers ist vordergründig mit Glanz und Fortschritt, prosperierendem Handel, wirtschaftlichem Aufschwung und unseren sogenannten westlichen Werten verbunden. Doch bei genauerer Betrachtung zieht die Basis unseres Wohlstandes blutige, zerstörerische Spuren durch die Welt. Und auch wenn das Silber als Zahlungsmittel längst keine Rolle mehr spielt, seine Geschichte scheint noch längst nicht zu Ende. Allein in den lateinamerikanischen Fördergebieten findet – wie Tillmann Bendikowski im Abschlusskapitel „Unser Silber – Die Geschichte geht weiter“ ausführt - heute im Rahmen des Edelmetallabbaus durch den Einsatz von Cyanid und veralteten Abbaumethoden unter menschenverachtenden Arbeitsbedingungen eine gewaltige Umweltzerstörung statt. Giftige Abwässer, toxische Abraumhalden vergiften Trinkwasser, Luft, Böden und Gewässer.

Die Lektüre der Spur des Silbers von Tillmann Bendikowski vermag die Lesenden zu fesseln und lässt sie am Ende nachdenklich zurück. Mehr kann man von einem guten Buch über Geschichte nicht verlangen.


Gesamtbewertung: 4/5
Cover: 4/5
Handlung: 4/5
Spannung: 4/5
Blogger: Wolfgang Schwerdt

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Klappentext

Die Spur des Silbers

Sachbuch von Tillmann Bendikowski
Cover: Die Spur des Silbers Wie die globalisierte Welt entstand – eine neue Geschichte des Silbers vom Mittelalter bis heute

Es ist weich und wandelbar, ein sagenhaftes Element, über Jahrhunderte brachte es Macht und Reichtum, aber auch Ausbeutung und Elend: Silber hat die Welt verändert. Und es bewegt unsere Welt bis heute, als Rohstoff und als Wertanlage. Tillmann Bendikowski erzählt uns seine atemberaubende Geschichte.

In vielen Szenen beschreibt er die Jagd nach dem Edelmetall und verfolgt die Spur des Silbers rund um die Welt: Von der Ausbeutung der Silberminen durch die Spanier, den Silberflotten und der Sklaverei, vom globalen Handel, der neben grenzenlosem Profit auch Elend und Hunger mit sich brachte, über das NS-Raubsilber bis zum Familiensilber unserer Zeit. Es sind Geschichten von Königen und Sklaven, von Konquistadoren, Piraten und Kaufleuten. Ohne die faszinierende Geschichte des Silbers ist die Welt von heute nicht zu verstehen.

Mit zahlreichen Abbildungen.

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