Leseprobe aus Schiffskater Pixie mit James Cook um die Welt, Bd 3
Aus dem Kapitel 1 Otaheite
Anmerkung vom Juli 1773 Dass wir in dieser Bucht vor Anker gegangen sind, ist kein Zufall. Denn der Kapitän hatte den Auftrag, genau diese Insel und diese Bucht, die Kapitän Samuel Wallis erst 1767 entdeckt hatte, anzusteuern und hier irgendwelche wichtigen Beobachtungen am Himmel vorzunehmen. So etwa wie Otaheite klingt die Bezeichnung der Einheimischen für ihre Insel. Wallis hat sie Insel König Georgs des Dritten genannt und die Bucht, die auch als Matavi bekannt ist, Port Royal, also königlicher Hafen. Ich finde das ja ein wenig großkotzig, aber unsere Leute sind der Meinung, dass alles ihnen gehört, wo sie einen Stock in den Boden rammen, ihr buntes Stück Tuch hochziehen und die Rotfelle ihre Musketen abfeuern.
In Menschenkreisen gilt die Tatsache, dass Cook die kleine Insel und Bucht, die ja irgendwo im riesigen Pazifik liegt, auf Anhieb gefunden hat, als navigatorische Meisterleistung. Vollkommen in Vergessenheit geraten ist dabei allerdings der Beitrag, den ich in unermüdlicher Assistenzarbeit zu diesem Erfolg geleistet habe. Da mussten Gerätschaften wie Lineale, Bleistifte und Zirkel sortiert, die Seekarten sorgfältig ausgerichtet, gegebenenfalls mit der Pfote abgestempelt und natürlich auch die Eintragungen zu Position, Geschwindigkeit und Wetter überwacht werden und vieles mehr. Und das alles neben meinen Forschungsarbeiten, ohne die es wohl kaum zu wesentlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen gekommen wäre, da sich Mr. Wichtig ja vor allem mit Schießen, Essen und Sammeln beschäftigt. Allein dies ist schon ein Grund, den Reiseberichten der Menschen meinen eigenen hinzuzufügen. Denn viele der Beobachtungen, die ich auf meinen Streifzügen durch die von Cook neu entdeckten Welten machen konnte, sind dem großen Naturforscher entgangen.
14. April 1769 Cook, Banks, Matrosen und ein paar Rotfelle sind schon gestern an Land gegangen und auch heute sind sie wieder mit den Einheimischen auf der Insel unterwegs. Wir allerdings beobachten das Geschehen lieber noch von Bord aus.
Merkwürdige Rituale haben diese Menschen schon. So zeigen sie sich grüne Zweige, tauschen Kleidungsstücke und machen sich gegenseitig Geschenke. Unsere Leute bekommen vor allem etwas zu essen und die Einheimischen sind ganz wild auf Eisennägel, von denen wir jede Menge in Fässern mit an Bord haben. Sieht alles ganz friedlich aus, aber Goaty hat uns gewarnt: „Die Menschen neigen zu Missverständnissen. Und wenn sie etwas nicht verstehen, werden sie gewalttätig.“
Mir scheint, es ist nun höchste Zeit, euch etwas zu meiner Freundin zu maunzen. Goaty oder „The Goat“, wie sie die Menschen nennen, war schon einmal hier, vor zwei Jahren, mit der HMS Dolphin unter Kapitän Wallis. Damals gab es hier riesige Kanus mit prächtig gekleideten Menschen, große stabile Hütten und eine richtige Seeschlacht aufgrund bemaunzter Missverständnisse. Goaty war sogar entführt worden und es war nur Tupaia, einem einflussreichen Mr Wichtig der Einheimischen, zu verdanken, dass sie und andere „ausgeliehene Gegenstände“ wieder an Bord zurückkehren konnten. Goaty konnte noch vieles andere berichten, beispielsweise wie sich die Matrosen und Offiziere mit den Frauen der Einheimischen vergnügt hatten, über die außerordentlich stämmige Chefin Purea und eben ihren einflussreichen Mr. Wichtig, der dafür gesorgt hatte, dass die Missverständnisse zwischen der Dolphin-Mannschaft und den Inselbewohnern nicht in einer Katastrophe endeten.
Aber diesmal sind wir nur von recht einfachen Kanus begrüßt worden und die Siedlung hat mit ihren armseligen Hütten ihren Glanz verloren. Auch Purea und Tupaia kann Goaty nirgendwo entdecken. Und so bleiben wir auf Anraten der erfahrenen Weltumseglerin erst einmal an Bord, um zu sehen, wie sich die Dinge so entwickeln. Ich finde, Goaty ist eine richtig Nette, auch wenn Susy meint, dass sie zuviel meckert und Sir Booby glaubt, dass sie ihn vergiften möchte. Aber eine Ziege meckert nun einmal und wenn Sir Booby nach ausgiebigem Schlabbern ihrer Milch Bauchschmerzen und Durchfall bekommt, dann ist es ganz sicher nicht Goatys Schuld. Die Milch ist ohnehin nicht für Sir Booby bestimmt, sondern ausschließlich für den Kapitän.
15. April 1769 Cook, Banks und die anderen Herren des Achterdecks sind wieder an Land gegangen und die Männer haben am Strand ein Zelt aufgebaut. Der Kapitän und die Wissenschaftler sind im Wald verschwunden und die Knallerei lässt darauf schließen, dass Banks mal wieder seiner Wissenschaft nachgeht. Jedenfalls fielen nach den Schüssen mehrere aufgescheuchte Enten vom Himmel. Wir scheinen also länger hierzubleiben und ich dachte, es ist langsam an der Zeit, uns ebenfalls an Land umzusehen.
Aber dann gab es eine Rangelei vor dem Zelt. Einer der dort versammelten Einheimischen hatte einem unserer Rotfelle ein Gewehr geklaut und war mit der ganzen Gruppe weggerannt. Ein wildes Geballere der Roten und eine Verfolgungsjagd war das Ergebnis. Am Ende hatten die Rotfelle das Gewehr wieder und der Dieb war tot. Nach diesem Missverständnis zogen sich Cook und unsere Leute auf die Endeavour zurück.
17. April 1769 Gestern blieb der Strand fast menschenleer und im Gegensatz zu den vorherigen Tagen kam auch kein Einheimischer an Bord unseres Schiffes, um uns Lebensmittel zu verkaufen oder andere Dinge einzutauschen.
Und heute ist einer von Banks‘ Malern gestorben. Die Leute vom Achterdeck haben ihn feierlich ins Wasser geworfen.
18. April 1769 Gestern Nachmittag ist eine Flotte von großen Kanus in der Bucht eingetroffen, mit wichtigen Männern an Bord und vor allem Proviant für unsere Mannschaft. Goaty hatte unter ihnen sofort Tupaia entdeckt und meinte, dass man nun beruhigt an Land gehen könne. „Wird ohnehin Zeit“, meckerte sie“, mal wieder frisches Gestrüpp zwischen die Zähne zu bekommen.“
Auch unsere Nahrung ist etwas einseitig geworden. Seit wir hier angekommen sind, hat kaum einer der Männer Zeit gefunden, frischen Seefisch für uns zu ergattern, geschweige denn, sich überhaupt mit uns zu beschäftigen. Klar, es gab eine Menge zu tun und heute haben die Leute sogar begonnen, große Zelte am Strand aufzustellen und einen festen Zaun um das Lager zu errichten. Eine richtige kleine Festung wird das und die Einheimischen helfen sogar dabei. Aber es ist nicht die Arbeit, die die Matrosen dazu bringt, uns sträflich zu vernachlässigen. Denn seit der Ankunft des großen Häuptlings Tutaha, der direkt neben dem Fort seine Residenz errichten lässt, sind die Männer wieder damit beschäftigt, trotz aller Missverständnisse freundschaftliche Beziehungen zu den kaum befellten Weibchen der Einheimischen zu unterhalten. Auch John lässt es sich während seiner Freiwachen hier gut gehen, für mich hat er jedenfalls keine Zeit mehr. Wenn das Kathy wüsste, aber was soll's, von mir wird sie nichts erfahren.
Wolfgang Schwerdt
Blogger bei LeseHitsBücher zu Kulturgeschichte, Seefahrt, Mensch-Tier-Studien und me(h)er.
Kommentare
Schiffskater Pixie mit James Cook um die Welt
An der australischen Ostküste machte schließlich Sir Booby mit Entenbibern, rotohrigen Klabautertieren und gebeutelten Riesenhüpfern Bekanntschaft und schließlich drohte die Expedition am Great Barrier Riff zu scheitern.
Mit rund fünfzig überwiegend vierfarbigen, meist ganz- und doppelseitigen Bildern des Schiffskatzenmalers Jonny Petry ist auch dieser Band von Pixies Reisetagebuch ein Lese- und Augenschmaus.