Wiener Flaniermeile

Einblicke in die Wiener Seele

26.05.2024 von Edward Poniewaz

Skurrile Dialoge, Konversationen im Abseits und philosophisch geschwängerte Sätze. All das und weitere Wiener Begegnungen hat Andreas Rainer auf rund 100 Seiten zusammengetragen. Es geht um den Kern der Wiener Seele. Wen soll das wundern, in der Stadt, in der Sigmund Freud die Psychoanalyse entwickelte? Aber weder die Stadt als Ganzes, noch die Wiener müssen auf einer Couch Platz nehmen, sie werden lediglich vom Autor belauscht und beschrieben.

Das Buch »Wiener Alltagspoeten« ist kein Stadtführer, aber es ist dennoch jedem Touristen zu empfehlen, der Wien spüren möchte. Es ist eine humorvolle Ergänzung zu einem Wienbesuch, um nicht nur die Stadt zu schauen, sondern um sie zu erleben. In dreizehn Kapiteln lernt man die Wienerinnen und Wiener und ihre Gepflogenheiten kennen: Situationen in der U-Bahn, im Kaffeehaus oder am Würstelstand werden unter anderem geschildert, um einen tieferen Blick in die Wiener Seele zu bieten. Selbstverständlich bleibt auch das besondere Verhältnis der Wiener zum Tod nicht unerwähnt. Auch wenn einzelne Aspekte in eine klischeehafte Darstellung münden, ist doch evident, dass Klischees einen wahren Kern beinhalten.

Der Autor schaut den Wienerinnen und Wienern genau auf den Mund, und der folgende Dialog steht stellvertretend für das, was die Leserinnen und Leser erwartet:

Kellnerin im Wiener Traditionskaffee Aida zum Gast:

»Heute zahlen alle nur mit Hundert-Euro-Scheinen. Ich kann leider nicht herausgeben.«
Gast: »Wir sind im ersten Bezirk, was erwartens denn?«

Nicht zuletzt ist das Buch eine Liebeserklärung an die Donaumetropole, die man auf jeder Seite spürt. Eine kurzweilige, humorvolle Annäherung an Wien und seine Menschen. Und vielleicht begegnet ihnen der eine oder andere Dialog in den Wiener Gassen, der in dieses Buch gehört.


Politik: Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt

Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt

Wien mag weltberühmt sein für seine Schnitzel, Bälle und die Oper. Doch die irrwitzigsten Vorstellungen spielen sich auf den kleinen Gassen der Stadt ab, nicht auf ihren großen Bühnen. Jeder Besuch im Kaffeehaus wird zum Kabarett, jede Fahrt mit der Straßenbahn hat das Potenzial zur Tragödie. Wo auch immer man hingeht, die Stadt ist eine einzige Bühne, auf der Kellnerinnen, Straßenkehrer und Passanten zu Hauptdarstellern einer niemals endenden Vorstellung werden.
Andreas Rainer taucht mit 50 Zitaten aus dem Alltagsleben tief in das Herz der Wiener Seele ein, um den unmöglichen Widerspruch einer Stadt abzubilden, in der man zwar die Muße hat, den ganzen Tag im Kaffeehaus zu sitzen, aber schon eine Panikattacke bekommt, wenn die U-Bahn erst in sechs Minuten kommt.

Kommentare

Thema: Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt

Lesevogel
Lesevogel
26.05.2024 - 12:18 Antworten

Ich war schon zweimal in Wien und habe es nicht bereut. Eine tolle Stadt und ich habe viele hilfsbereite Menschen kennengelernt. Skurrile Dialoge sind mir allerdings nicht begegnet.


Buch-Fetischist
Buch-Fetischist
29.05.2024 - 14:32 Antworten

Die Wiener sind harmlos. Kein Vergleich zu dem, was ich in Paris und auch in Berlin erlebt habe.


Leseratte
Leseratte
30.05.2024 - 09:32 Antworten

Hier meine ganz persönliche Reihenfolge der arrogantesten Stadt-Menschen:
Platz 1 Düsseldorf, 2 . London, 3. Paris. Platz 4 teilen sich London und Wien.


Sabi Stilikone
Sabi Stilikone
02.06.2024 - 17:57 Antworten

Es ist halt eine Frage des Stils.


Edward Poniewaz

Edward Poniewaz

Kolumnist auf lesehits.de
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