![Tom Saller, Lesung in der Buchhandlung Bücken, Overath](../artikelgrafik/80/tom-saller-lesung-der-buchhandlung-buecken-overath.webp)
»Ich bin Anna« von Tom Saller
Ein Roman für Entdecker, die dem berühmten Psychoanalytiker Sigmund Freud und seiner Tochter Anna begegnen möchten. Die abwechselnden Erzählperspektiven, jeweils aus der Sicht von Anna und ihrem Vater, geben einen tiefen Einblick in ihre Gedanken und in eine Welt, die sich im Kriegswinter 1917/1918 im Umbruch befindet. Anna lebt noch in der Wohnung ihrer Familie, in der sich auch die Praxis des jüdischen Psychiaters befindet. Nur eine Türschwelle trennt die Praxis von den übrigen Räumen und doch scheint diese unüberwindbar. Anna ist das jüngste von sechs Kindern und begegnet ihrem Vater, der wie ein Gast in seiner Familie wirkt, bei den gemeinsamen Mahlzeiten mit Ehrfurcht und Bewunderung. Die Brüder sind im Krieg, die schöne Schwester ist verheiratet und Anna, die Wissbegierige, horcht an der Praxistür. Sie belauscht die Gespräche mit dem Patienten Stadlober und beginnt, sich für ihn zu interessieren. Inzwischen hat Freud beschlossen, sein analytisches Wissen an seine Tochter weiterzugeben. Er ahnt nicht, dass sich Anna hinter seinem Rücken mit dem schüchternen Stadlober trifft. Nach mehreren Treffen, die in eine Brieffreundschaft übergehen, bricht Anna den Kontakt zu Stadlober ganz ab und setzt damit eine Reihe von Ereignissen in Gang. Anna macht daraufhin eine Therapie bei ihrem Vater und beginnt, sich selbst zu erkennen. Zwanzig Jahre später annektieren die Nazis Österreich und die grausame Verfolgung und Deportation jüdischer Menschen beginnt. Anna und Stadlober treffen wieder aufeinander, in einem vermeintlich ungleichen Kampf.
Tom Saller schreibt in seinem Roman „Es heißt, die Seele kennt keine Zeit. Das Heute findet sich neben dem Gestern, die Zukunft ist bloß ein vorweggenommenes Plagiat.“ Wir haben in den letzten hundert Jahren enorme Fortschritte in der Technik, in der Medizin gesehen, aber sehen wir diese auch beim Menschen? Wer an die politische Lage, an die Kriege, an die Bedrohung jüdischer Menschen in Deutschland denkt, wird diese Frage verneinen. Insofern verfügt dieser Roman über eine beängstigende Aktualität.
Mit »Ich bin Anna« ist Saller ein außergewöhnlicher Roman gelungen, in einem Schreibstil, der verzaubert.
![Sigmund Freud Museum - Wartezimmer](/rseite/80/wartezimmer-sigmund-freud.webp)
Vor vielen Jahren besuchte ich das »Sigmund Freud Museum« in Wien, und aus heutiger Sicht hätte ich mir vor dem Besuch einen Roman wie diesen gewünscht. Das Museum besteht seit 1971 und befindet sich in den ehemaligen Wohn- und Arbeitsräumen Freuds.
Vielleicht begegnet Ihnen dort Anna, wenn Sie die Augen schließen?
Ich bin Anna
Wien im Kriegswinter 1917/18: Sigmund Freud plant, sein analytisches Erbe an seine jüngste Tochter weiterzugeben. Doch Anna kämpft ihren eigenen Kampf. – Ein suggestiver Roman von Bestsellerautor und Tiefenpsychologe Tom Saller.
Tief in ihrem Inneren strebt Anna Freud nach Unabhängigkeit vom schier übermächtigen Vater. Als Nesthäkchen lebt sie noch immer daheim, als der Erste Weltkrieg die Menschen blind macht. So etwa einen von Sigmund Freuds wenigen Patienten: Ludwig Stadlober kann nach einem Senfgasangriff nicht mehr sehen und sucht Hilfe beim berühmten Analytiker. Hinter seinem Rücken trifft sich Anna mit dem schüchternen Mann. Behutsam erkunden beide die eigenen Bedürfnisse. Doch zunehmend machen sich bei Anna verdrängte Triebe bemerkbar, sodass das Unglaubliche geschieht: Sigmund Freud nimmt die eigene Tochter in Therapie.
Zwanzig Jahre später. Die Nazis marschieren 1938 in Österreich ein. Anna und Stadlober begegnen sich erneut, und plötzlich geht es um das Überleben der Familie Freud.
Virtuos erzählt Tom Saller die Geschichte einer therapeutischen Dreiecksbeziehung, der Entdeckung des Todestriebes und der Selbstbehauptung von Anna Freud.
»Denn ich bin frei. Bin Anna. Bin ich.«
Kommentare
Thema: »Ich bin Anna« von Tom Saller
![Rosi](/benutzer/rosi_47539.webp)
![Oma Beate](/benutzer/oma-beate_69497.webp)
Der Besuch des Museums war eher enttäuschend. Man bekam kaum einen Eindruck, wie Freud gelebt hat, da nur wenige Einrichtungsgegenstände ausgestellt waren. Insgesamt ist das Museum sehr weiß gehalten, ab und zu sind nachgestellte Fotos zu sehen. Die verschiedenen Theorien werden sachlich angerissen, Illustrationen fehlen. Ein Gefühl dafür, was für ein Genie Freud war und welche Bedeutung er für die Psychologie hat, wird nicht vermittelt. Das ist schade.
![Bettleser](/benutzer/bettleser_47498.webp)
![sherlock holmes](/benutzer/sherlock-holmes_49125.webp)
Ich war vor vielen Jahren auch im Freud-Museum und kann bestätigen, dass man da einiges verbessern könnte. Die Ausstellung ist nicht wirklich zeitgemäß, ich hatte mir mehr erwartet. Aber wenn man in Wien ist und etwas Zeit hat, würde ich nicht abraten.
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Edward Poniewaz
Kolumnist auf lesehits.deHier gebe ich konstruktives Feedback zu Neuerscheinungen, zum Buchmarkt und zu gesellschaftlichen Themen.