Die Tyrannei der Bestseller© Lesehits (KI - generiert)

Die Tyrannei der Bestseller

20.09.2025 von Edward Poniewaz

Auf der Frankfurter Buchmesse können wir die Tyrannei der Bestseller wieder einmal hautnah erleben. In den Gängen, auf Werbebannern oder in den ausliegenden Zeitschriften begegnen uns immer wieder dieselben Namen. Das ist nicht überraschend: Verlage setzen verständlicherweise auf Sicherheit, und Sicherheit bedeutet, auf Autor:innen zu setzen, die sich schon bewährt haben. Der Buchmarkt folgt wie so viele andere Bereiche unseres Lebens einem Gesetz, das auf den ersten Blick unscheinbar wirkt, aber enorme Konsequenzen hat: dem Pareto-Prinzip, auch bekannt als die 80-20-Regel. Es besagt, dass 20 Prozent der Akteure für 80 Prozent der Ergebnisse verantwortlich sind.

Übertragen auf Bücher bedeutet das: Eine kleine Gruppe von Autor:innen füllt die Bestsellerlisten, bestimmt die Schlagzeilen und generiert den größten Teil der Aufmerksamkeit für sich. Sie sind die Säulen, auf denen der kommerzielle Markt fußt, und ihr Erfolg verstärkt sich selbst. Denn Sichtbarkeit zieht weitere Sichtbarkeit an, Bekanntheit gebiert neue Bekanntheit.

Doch währenddessen verschwinden die Stimmen der vielen Unbekannten in den Schatten. Jedes Jahr erscheinen unzählige Debüts, leise Romane und eigenwillige Experimente, die kaum in den Blick der Öffentlichkeit gelangen. Sie sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Aber genau dort, im Verborgenen, liegt die eigentliche Verheißung. Denn Literatur lebt nicht nur vom Bekannten, sondern auch vom Neuen, vom Unerwarteten und vom Abseitigen. Abseits der großen Namen findet man Stimmen, die nicht auf Marktforschung schielen, sondern aus einer inneren Notwendigkeit heraus schreiben. Manchmal sind es gerade diese Entdeckungen, die im Gedächtnis haften bleiben. Es sind Bücher, die nicht im Rampenlicht standen, aber im Inneren etwas zum Klingen bringen, was kein Bestseller erreicht hat.

Der verborgene Schatz: Das Pareto-Prinzip erklärt den Markt, aber nicht die Liebe zur Literatur. Denn diese Liebe folgt nicht der Logik der Zahlen, sondern der Neugier, dem Staunen, der Freude am Unerwarteten. Deshalb liegt im Entdecken unbekannter Autorinnen und Autoren ein besonderer Zauber. Wer wagt, jenseits der Bestsellerlisten zu lesen, gewinnt nicht nur neue Geschichten, sondern auch das Gefühl, selbst etwas auserwählt zu haben.

    Kommentare

    Thema: Die Tyrannei der Bestseller

    Jakob, Helmut
    Jakob, Helmut
    26.09.2025 - 15:44 Antworten

    Genau dieses arrogante, auf Sicherheit und Gewinnmaximierung ausgerichtete Handeln der Verlage führt dazu, dass es so gut wie keine Nachfolger dieser Gruppe von elitären Autoren gibt. Als Neu-Autor kann man sich die Mühe sparen, einen Verlag finden zu wollen. Einzige Alternative ist es, seine Werke als Selfpublisher zu veröffentlichen. Hier ist man einer von Hunderttausenden und Erfolg wird nur extrem wenigen davon vergönnt sein. Wer weiß, wie viele Perlen niemals entdeckt werden, weil Verlage nicht mehr nach guten Geschichten suchen, sondern ewig den gleichen mittelmäßigen Aufguss herausbringen.


    Kunze, Monika D.
    Kunze, Monika D.
    30.09.2025 - 20:57 Antworten

    Sehr schön geschrieben. Und … ja.


    Korn, Hannah-Marlène

    Ein Verlag ist kein Wohlfahrtsunternehmen und muss Gewinn machen. Da gehe ich mit.
    Leider ist der Büchermarkt nur noch ein Stake-Holders orientiertes System und der Leser ist nur die Melkkuh.
    Wieviel unabhängige Verlage in den 80% Pareto-Gewinn gibt es denn noch? Sicher nicht mehr viele.
    Und die Buchpreisbindung unterbindet jeden Wettbewerb. Wo, außer in Deutschland, gibt es so einen Unsinn nochmal? Viele Länder werden es nicht sein.


    Edward Poniewaz

    Edward Poniewaz

    Kolumnist auf lesehits.de

    Weitere Artikel

    Hier gebe ich konstruktives Feedback zu Neuerscheinungen, zum Buchmarkt und zu gesellschaftlichen Themen.